Asche auf sein Haupt: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
ist.«
»Schön wär’s …« Carter schnitt eine Grimasse. »Ich hoffe, dass es richtig war, Jess mitzubringen. Ich glaube nicht, dass Millie es richtig versteht. Ich hätte sie besser vorbereiten sollen.«
»Du hast deine Freunde, und Millie muss das akzeptieren.« Monica schien entschlossen, das Tablett mit Tellern und Tassen vollzustapeln.
Ihre Gleichgültigkeit weckte in Carter irgendwie noch mehr Zweifel an der Klugheit der Idee, Jess Campbell mitzubringen.
Im Wohnzimmer war Jess sicher, dass es ein Fehler gewesen war. Sie überlegte krampfhaft, wie sie nun, nachdem Carter von der Bildfläche verschwunden war, ein Gespräch mit Millie anfangen konnte.
Sie hätte sich keine Gedanken darüber machen müssen. Millie fing an zu reden.
»Bist du die Freundin von meinem Vater?«
»Nein«, antwortete Jess wahrheitsgemäß. »Er ist mein Chef. Ich bin ein Police Inspector. Ich kenne Monica von früher, als wir – dein Vater und ich – zusammen an einem anderen Fall gearbeitet haben.«
»War es ein Mordfall?«, fragte Millie hoffnungsvoll. Der Bär schien ebenfalls wieder munter zu werden.
»Ja, war es.« Das Kind schien besessen von Morden.
»Habt ihr den Mörder geschnappt?« Millie beugte sich vor.
»Ja, haben wir.«
Plötzlich schien Millie das Interesse an ihrer Befragung zu verlieren. Sie ließ sich in die Kissen des Stuhls zurückfallen und hielt den Bär hoch. »Das ist MacTavish. Er kommt aus Schottland. Deswegen hat er dieses Schottenmuster an. Er hatte auch noch einen Schild und ein Schwert, aber Mami hat sie ihm weggenommen. Sie findet, dass es in der echten Welt schon genug Gewalt gibt und Spielzeuge sie nicht nachmachen müssen.«
Dass es in der echten Welt schon genug Gewalt gibt … sicher ein Zitat, das sie von ihrer Mutter übernommen hatte. Vielleicht war das der Grund, weshalb Millie solch ein Interesse an dem Mord zeigte. Es war ein neues und verbotenes Thema und übte naturgemäß eine besondere Faszination auf sie aus.
»Als ich jung war, hatte ich eine Stoffkatze«, erwiderte Jess. »Sie hieß Stripes, und sie war meine engste Freundin.« Millie antwortete nicht, also fuhr Jess ein wenig lahm fort: »Sie hatte Streifen.«
»Welche Farben?«, fragte Millie in der pingeligen Tradition von Ermittlern auf der ganzen Welt.
»Braun und Weiß.« Gott sei Dank war das Stofftier nicht blau- oder pinkfarben gestreift gewesen. Das wäre vermutlich nicht gut angekommen. »Ich habe sie überallhin mitgenommen«, erinnerte sie sich nun. Was war aus Stripes geworden? Sie musste ihre Mutter fragen, wenn sie das nächste Mal miteinander telefonierten. Gut möglich, dass Stripes in einer Kiste auf dem Dachboden ihres Elternhauses schlummerte. Ihre Mutter würde mit der Müttern eigenen Neugier wissen wollen, warum um alles in der Welt Jess danach fragte.
»Hast du einen Freund?«, fragte Millie, indem sie ein vollkommen anderes Thema anschnitt.
Aus der Fassung gebracht, stotterte Jess: »Ich, äh, nein. Nein, ich habe momentan keinen Freund.«
»Warum nicht?«
Jess wünschte sich von Sekunde zu Sekunde sehnlicher, sie hätte die Einladung von Ian Carter abgelehnt, ihn hierher zu begleiten. Das Gör besaß so viel Feingefühl wie die Spanische Inquisition. Es wurde Zeit, Millies Treiben ein Ende zu bereiten. Millie würde ihr auf dem Kopf herumtanzen, wenn sie keinen Riegel vorschob.
»Das ist eigentlich nichts, was dich etwas anginge«, sagte sie so freundlich, wie es ihr möglich war.
»Ich finde es schon heraus …«, warnte Millie. Ihr Tonfall und Blick wurden schärfer. Sie hatte die Augenfarbe ihres Vaters. Ein Haselnussbraun, dessen Farbton zwischen Braun und Grün wechselte.
»Nur zu.« Jess wusste sehr genau, wie man mit Drohungen umzugehen hatte, ob sie nun von einem Ganoven kamen oder von Millie.
»Ich wusste das von Mama und Rodney, lange bevor Papa es wusste.« In Millies Stimme schwang Befriedigung.
»Tatsächlich? Nun, das geht mich nichts an. Das ist privat und interessiert nur deinen Vater und deine Familie.«
»Aber wie können Dinge privat sein, wenn jeder darüber Bescheid weiß?«, wandte Millie ein.
Plötzlich überkam Jess die Erleuchtung. Die Scheidung ihrer Eltern hatte Millies heile Welt erschüttert und ihr einen Teil ihrer Unschuld genommen. Wenn sie tatsächlich lange vor ihrem Vater über den neuen Mann ihrer Mutter Bescheid gewusst hatte, so war das eine viel zu große Last auf ihren jungen Schultern gewesen. Man konnte zwar nicht direkt sagen, dass das
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