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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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spürt den Missklang im Gefüge der Zeit.
    Im Takt des schwarzen Pulses rann die Zeit weiter. Zeigte die Zorya, die von Tag zu Tag mehr Aufschub gewährte. Und Indigo, wie er sie mit verführerisch süßen und klebrigen Fäden in das Leben
einspann wie eine Spinne einen Falter. Wie er sie von Speisen und Wein kosten ließ und ihr Musik und die Poesie der besten Dichter bot, Sonne auf der Haut und Tage und Nächte voller Zerstreuungen.
    Und gleichzeitig sah Summer sich selbst. Wie sie das Leben für sich entdeckte, die Farben der Worte und etwas, das ihr unsterblicher schien als die Zorya selbst: die Liebe, der wahre Grund, der sie Tag für Tag zögern ließ. Sie durchlebte alles noch einmal.
    Die Stunden mit Loved und ihre Angst vor Lady Mar und der Entdeckung ihrer verbotenen Tat. Sorgfältig schirmte sie sich gegen die Sucher ab und genoss jede Sekunde, als könnte es ihre letzte sein. Und an dem Tag, an dem sie endgültig begriff, dass sie damit menschlicher war, als sie sich je erträumt hatte, war sie glücklich und traurig zugleich.
    Summer zog Indigo noch näher an sich, als könnte sie diese Zeit festhalten. Doch sein Leben floss unaufhaltsam weiter durch sie hindurch.
    Jeden Tag, den er gewinnt, ist Indigo glücklich wie nie zuvor, doch jede Nacht fürchtet er sich vor dem Ende. Längst ist sein Wille zu leben zur Besessenheit geworden. Doch er wäre nicht Indigo, der Listige, würde er nicht daran glauben, dass auch eine Botin nur ein weiterer Gegner ist, für den er nur die richtige Waffe finden muss. Und das Mädchen ahnt nicht, dass sie es in Wirklichkeit mit zwei Männern zu tun hat. Dem Indigo des Tages, der unbeschwerte, lachende Verführer, ihr Lehrer und gleichzeitig ihr demütiger Diener. Und dem anderen Indigo, dem Mörder und Giftmischer, der in seinen Laboren fieberhaft
nach einem Mittel sucht, sie zu besiegen. Es ist ihm recht, dass sein junger Adjutant sie beschäftigt und ablenkt. Manchmal hört er sie beide lachen, sieht, wie sie im Hof mit stumpfen Degen das Kämpfen üben. Er vertraut Amand, und er weiß, er wird dem Mädchen nie zu nahe kommen, schließlich lässt er ihn ausdrücklich wissen, dass er selbst in die junge Frau verliebt sei. Amand berichtet ihm alles über sie, und so ist er über jede Stunde und jede Sekunde ihres Tuns unterrichtet.
    Jeder Wein, den er ihr in diesen Wochen reicht, ist vergiftet. Er versucht es mit Arsen und Wolfskraut, mit dem Gift exotischer Frösche, von dem nur ein Tropfen genügt, um ein Pferd umzubringen. Er schreckt nicht einmal vor magischen Tinkturen und Beschwörungen zurück. Sie trinkt jeden Becher ganz aus und … nichts geschieht. Ein scheinbar verirrter Pfeil trifft sie mitten ins Herz, doch sie wankt nicht einmal und zieht sich den Pfeil selbst aus der Wunde, die sich schon nach wenigen Stunden verschließt. Nicht einmal eine Narbe ist zu sehen. Er legt Feuer, doch der Einzige, der zu Schaden kommt, ist ein Diener. Doch an dem Tag, an dem sie die erste Winterfrucht kostet, geschieht es. Sie sind in den Gärten des Blumenhauses, das Blau flirrt vor dem Schnee, so viele Schneefalter tummeln sich auf den sternförmigen Blüten. Es ist der kälteste aller Wintertage. Er und Amand tragen Pelze, aber das Mädchen erstrahlt wie immer in einem schulterfreien Kleid und trägt den Pelz einer Schneekatze nur zur Zierde. Barfuß steht sie im Schnee und der Wind macht ihr nichts aus. Als einer der Falter sich auf ihre Schulter setzt und sie ihn verscheucht, bleibt etwas Staub von seinen Flügeln auf ihrer Haut zurück. Zum ersten Mal sieht Indigo, dass auch eine Botin verletzlich ist. Sie schreit auf und fällt auf die Knie, verstört und erschrocken über ihre eigene
Schwäche. Amand stürzt zu ihr und hilft ihr auf - und in dieser Sekunde erkennt Indigo zweierlei: Dass es tatsächlich einen Weg gibt, seinen Tod zu besiegen. Und dass Amand ihn betrügt. Indigo versteht es, in Gesichtern zu lesen. Und als er nun die Sorge sieht und die nur schlecht verborgene Zärtlichkeit, mit der sein Ziehsohn das Mädchen stützt, erkennt er, dass sein Vertrauter dabei ist, ihm zu entgleiten. Wie immer lässt er sich nichts anmerken und spinnt seine Fäden im Hintergrund.
    Die Botin wird krank, einen ganzen Tag lang ist sie geschwächt und blass, als hätte Gift sie berührt. Die Stelle an ihrer Schulter ist gerötet und pocht. Indigo gibt den Befehl, alle Schneefalter zu fangen, damit sie ihr kein Leid mehr antun können. Niemand wundert sich über diesen Befehl des

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