Auch Du stirbst einsamer Wolf
dort lebten, denn es rannte wirklich alles herum. Vom Neger bis zum Chinesen waren alle Nationen vertreten. Unsere Messer hatten wir wieder mit Riemen an den Waden befestigt, denn Rudi meinte, daß man in solchen Städten wegen ein paar Kröten sogar totgeschlagen wird, weil es viele arme Menschen gab, die nichts zu essen hatten.
Zwar hatte ich das auch schon gehört, aber ich fand, daß dies alles ein klein wenig übertrieben war. Wenn man sich nur die Stadt ansah und sich nicht in den Nuttenvierteln herumtrieb, in denen die meisten Sachen passierten, war die ganze Show halb so wild. Da wir einen wahnsinnigen Hunger hatten, gingen wir erst einmal in einem arabischen Restaurant etwas Essen. Ich habe also schon oft fremdländische Sachen gegessen, aber die arabische Küche ist eine der besten, die ich kennengelernt habe.
Als wir fertig waren, machten wir uns auf den Weg in die unbekannten Straßen von Algier. Ich war neugierig, denn ich konnte nie genug davon bekommen, fremde Städte anzusehen.
Algier war eine Stadt, die mich faszinierte, aber auch ein wenig erschrecken ließ. Sie hatte zwei Seiten, nämlich die der Armen und die der Reichen. Man konnte das Elend sehen und den Reichtum, den andere hatten und doch nichts damit anfangen konnten, außer ihn sinnlos aus dem Fenster zu werfen.
Wir machten uns vom Restaurant aus mit einem Stadtplan, den wir gekauft hatten, auf den Weg. Als erstes besuchten wir das Armenviertel, und es konnte einem schon schlecht werden, wenn man das sah. Die Straßen waren dreckig, und es stank bestialisch, denn der Abfall lag auf den Straßen herum, und die Mülltonnen standen übervoll an den Randsteinen. Auf den Straßen lagen Leute herum, von denen man nicht wußte, ob sie tot oder lebendig, betrunken oder nüchtern waren, denn sie bewegten sich nicht und lagen still auf den Kartons, die sie unter sich ausgebreitet hatten, damit sie nicht auf dem blanken Asphalt lagen. Kinder, die sehr arm angezogen waren, spielten zwischen dem Müll und dem Unrat mit einem kleinen Ball.
Andere spielten mit einer Katze, die mehr tot als lebendig war, und wieder andere beschäftigten sich mit einem kleinen jungen Hund. Eines der Kinder kam zu mir und streckte die geöffnete Hand hin. Es mußte wohl Hunger gehabt haben, dachte ich und langte in die Tasche, um ihm ein wenig Geld zu geben. Es war ein niedliches Kind, und es tat mir furchtbar leid, wie es vor mir stand und bettelte, mit einem traurigen Gesicht, und mich mit den großen, dunklen Augen anschaute. Ich drückte dem Kind einen Fünfzig-Dinarschein in die Hand, und als es dies sah, fiel es vor Dankbarkeit auf die Knie. Dann stand es wieder auf, rannte davon und verschwand um eine Ecke. Ich dachte an Monte Carlo und all die Sachen, die dort herumstanden und ein Heidengeld wert waren. Hier aber, in Algier, hungerten kleine, unschuldige Kinder, die man mit diesem Zeug, das in solchen Bonzenstädten herumstand, sattbekommen konnte. Oh Gott, wie beschissen ist doch die Welt! Wenn ein Prominenter einen Schnupfen hat, dann steht das sofort in der Zeitung, aber von dieser Stadt mit ihrem ganzen Elend hörte man so gut wie gar nichts. Wenn ein Kind auf der Straße verhungert, interessiert das die Leute einen Dreck. Aber wenn irgendein Sänger oder sonst ein hohes Tier mal ein wenig krank ist, dann muß es sofort die ganze Welt wissen, und die Presse macht einen halben Aufstand.
Dann schauten wir uns in der Stadt weiter um und kamen auch in das Viertel, in dem die wohlsituierten Leute lebten.
Don merkte man nichts von dem Elend, das ein paar Straßen weiter herrschte. Da waren die Häuser und die Straßen sauber.
Die Gärten waren gepflegt und die Wege mit Palmen bestückt.
Man kam sich vor wie auf einem Horrortrip, denn man dachte an das, was man eben noch zuvor gesehen hatte. Aber auf einmal stand man in einer Straße, wo Prunk und Reichtum herrschte, daß es einem schlecht wurde. Dort verhungerten die Leute, und hier wußten sie nicht, wohin sie mit ihrem ganzen Geld sollten. Das ganze kotzte mich so an, daß ich mich entschloß, in mein Hotel zurückzugehen und mir die Decke über die Ohren zu ziehen. Rudi ging mit, und so verbrachten wir den Rest unseres Aufenthalts im Hotel. Am nächsten Morgen machten wir uns wieder auf den Weg, denn wir wollten noch eine Stadt besichtigen, die ebenfalls die Größe von Algier hatte. Sie war nur ein paar hundert Kilometer weiter und hieß Oran.
Wir hatten ganz schöne Mühe, von Algier wieder wegzukom-men,
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