Auf ein Neues!: Roman (German Edition)
immer wieder über sie zu urteilen? »Also, was schlägst du vor?«, fragte er absichtlich zurückhaltend. »Ich tue, was du für richtig hältst.«
Chelsie schaute auf. »Warum bist du plötzlich so zahm?«, fragte sie misstrauisch.
Griff zuckte die Achseln. »Weil du dich auf diesem Gebiet besser auskennst?«
»Oder weil du Angst hast, bei mir verbotenes Terrain zu betreten? Was würdest du mir entgegenhalten, wenn ich dir nicht von meiner Vergangenheit erzählt hätte?« Sie sah ihn herausfordernd an.
Ihr Kampfgeist war wieder erwacht, und das gefiel Griff. »Ich würde sagen, ich schaffe das schon«, gab er zu.
»Und ich sage dir, du schaffst es nicht. Nicht ohne Hilfe beim ersten Mal.«
»Warum?«, setzte Griff nach.
Sie wollte nicht in Watte gepackt werden, und er respektierte das. Wenn sie darauf bestand, ihn dazu zu zwingen, den sturen Anwalt zu mimen, würde er ihr den Gefallen tun. Als Partner konnten sie es sich beide nicht leisten, dass der andere ohne guten Grund bestimmte, wo es langging. »In Anbetracht der Tatsache, dass ich schon seit der Zeit vor meinem Abschluss mit Mandanten zu tun habe und weiß, dass die meisten stur und egoistisch sind, frage ich mich, warum du glaubst, dass ich mit dieser Mandantin nicht zurechtkomme.«
»Aus genau diesen Gründen.« Chelsie straffte die Schultern, eine Abwehrhaltung, die wohl signalisieren sollte, dass sie sich ihm gewachsen fühlte. »All deine Erfahrung hilft dir hier nichts. Mag sein, dass du ein großartiger Wirtschaftsanwalt bist und selbst gegen den gewieftesten Geschäftsmann gewinnen würdest, aber diese Denkart funktioniert im Familienrecht nicht. Du weißt nichts über die Psyche dieser Frauen. Du weißt nicht, warum sie vor ihrem Peiniger weglaufen oder wieder zu ihm zurückkehren. Der kleinste Fehler in der Wortwahl könnte eine neue Mandantin nicht nur verschrecken, sondern sie sogar in Lebensgefahr bringen.« Chelsie sah ihm in die Augen und hielt seinen Blick einen Augenblick fest, ehe sie weiter in dem Karton herumwühlte.
GriffsagtekeinWort.DasKnisterndesSeidenpapierswardaseinzigeGeräuschindemnunstillenRaum.ErsetztesichaufdiegegenüberliegendeSeitedesTischsunddachteüberChelsiesWortenach.Unwillkürlichmussteerlächeln.Siewargut.Verdammtgut.Schadenur,dasserdarauftrainiertwar,solcheSpielchenzudurchschauen.SiehatteihnfürdasWisseninseinemFachgebietgelobt, während sie in ihrem ihre Autorität wahrte.
So enttäuscht er momentan auch über sie persönlich war, er hatte keinerlei Zweifel, dass ihm die Arbeit mit Chelsie Russell gefallen würde. Außerdem würde er etwas über Demut lernen, denn zu seinem Erstaunen und trotz seines leicht angekratzten Egos musste er sich eingestehen, dass sie recht hatte. Er konnte diesen ersten Fall nicht übernehmen. Jedenfalls nicht allein.
Er brauchte seine Partnerin.
Griff räusperte sich, um ihr das zu sagen, doch in dem Moment begann sie endlich, den Inhalt des Kartons aus dem Papier zu nehmen.
Chelsie hatte geglaubt, in ihrem Leben sei kein Platz für Gefühle. Also warum hatte sie den Entschluss gefasst, diese Sammlung hierherzubringen? Und warum gerade zu diesem Zeitpunkt?
Obwohl sie spürte, dass Griff sie nicht aus den Augen ließ, sagte er nichts. Dafür war sie ihm dankbar. Einen nach dem anderen packte sie die kleinen Silberrahmen aus, in denen die lieb gewordenen Fotos steckten, die sie mit ihrer Schwester zeigten. Da Shannon ihre persönlichen Erlebnisse gern schriftlich festgehalten hatte, hatte Chelsie ihr jedes Jahr zu Weihnachten ein ledergebundenes Tagebuch geschenkt. Und Shannon hatte sich alljährlich mit einem gerahmten Bild aus ihrer Kinderzeit revanchiert, das unten mit einem lustigen Kommentar versehen war. Diese Tradition hatten sie auch nach Chelsies Heirat und Scheidung beibehalten. Der einzige Unterschied war, dass die Tagebücher nun vom Paketdienst gebracht wurden statt von Chelsie persönlich. Als sie den Karton am frühen Morgen unten aus dem Schrank gezogen hatte, hatte Chelsie sich eingeredet, sie tue das für Alix.
Aber sie hatte sich belogen.
Griff brachte sie dazu, wieder etwas zu empfinden. Chelsie wusste nicht, ob sie ihn dafür hassen oder lieben sollte, denn es bedeutete, dass sie sich auf einen weiteren Verlust einrichten musste, wenn auch diese Beziehung endete.
Als sie die kleinen Fotos auf dem Tisch arrangierte, legte er eine Hand über ihre und spendete ihr Trost und Wärme. Viel zu früh beendete er den Kontakt, um ihr das Bild, das sie gerade
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