Ausersehen
stellte ich eine Frage, von der ich hoffte, dass sie Rhiannon angemessen war.
„Ich kenne mich nicht sonderlich aus mit der Rolle, die die Jägerinnen in der Gesellschaft der Zentauren spielen, aber ich würde gern mehr über Sie und Ihre …“ Ich zögerte einen Moment, nicht sicher, wie ich sie nennen sollte. „… Kolleginnen erfahren.“
„Wie unser Name schon sagt, ist jede von uns eine Jägerin für unsere Herde, oder unseren Clan, wie ihr es nennen würdet. Wir ergänzen das Zuchtfleisch mit frischem Wild, wir sind Meisterinnen im Spurenlesen und Meister im Fertigen von Pfeilen, Kurz- und Langbögen. Manchmal schließen wir uns sogar einem menschlichen Clan an, aber das wissen Sie ja bereits.“
Ich nickte, als hätte ich das schon tausendmal gehört. Dann fragte ich schnell: „Also jagen männliche Zentauren gar nicht?“
„Nur nach weiblichen Zentauren.“
„Männer sind Männer“, sagte ich. Sie nickte, und wir tauschten einen wissenden Blick.
„Wir sind keine Krieger – das überlassen wir den Männern –, auch wenn unsere Patronin Diana ist, aber wir sind auch keine Jungfern.“ Sie lächelte. „Und wir respektieren Epona und erbieten ihr zu Beginn jeder neuen Mondphase unseren Respekt.“
In meinem Kopf hörte ich eine flüsternde Stimme und wiederholte ihre Worte laut. „Epona hat eine sehr hohe Meinung von den Jägerinnen.“
„Dank der Göttin für ihre Gunst.“ Ihr Gesichtsausdruck war offen und herzlich. „Ich weiß nicht, ob Sie planen, mit ClanFintan nach Glen Iorsa zu reisen, aber wenn, dann würde ich gern den Segen Ihrer Göttin für unseren neuen Geburtshain, Glen Shurrig, erbitten, der im nächsten Frühling eingeweiht werden soll.“
Ich konnte nur raten, dass Glen Iorsa der Ort war, aus dem ClanFintan stammte, und mit einem Mal fühlte ich mich entsetzlich unsicher. Ich meine, er war mein Ehemann, und ich wusste nicht einmal den Namen seines Heimatortes.
Bevor ich mich einem neurotischen Anfall hingeben konnte, flüsterte die Stimme in meinem Kopf: Er ist geboren, um dich zu lieben. Mit Überraschung und Freude schickte ich Epona ein stilles Dankeschön dafür, dass sie mich daran erinnert hatte, was wirklich wichtig war. Er liebte mich, und es war egal, woher er stammte.
Antworte der Jägerin , flüsterte es in meinem Kopf. Ich schüttelte mich kurz und sagte dann: „Das würde ich sehr gern tun – nachdem wir die Fomorianer in die Flucht geschlagen haben.“
„Ja …“ Victoria senkte die Stimme. „Ist es wahr, dass sie die Frauen gefangen genommen haben und sich mit ihnen paaren?“
„Man kann es nicht wirklich paaren nennen.“ Ich brachte meinen Abscheu deutlich zum Ausdruck. „Sie vergewaltigen sie, um sie zu schwängern. Ich habe nur eine Frau dabei beobachtet, wie sie ein … Wesen zur Welt gebracht hat, aber das hat gereicht. Sie hat die Geburt dieser hybriden Kreatur nicht überlebt.“
„Diana, hilf“, betete sie flüsternd.
„Diana, Epona und wir alle müssen ihnen helfen.“
„Lady Rhiannon!“ Eine Frau rief quer über den Innenhof nach mir.
„Ja, ich bin hier.“ Ich winkte, und die Frau kam auf uns zugeeilt. Als sie näher kam, erkannte ich sie als eine von Carolans Assistentinnen.
„Mylady.“ Sie knickste. „Carolan schickt mich, Sie zu suchen. Er bittet darum, dass Sie ins Krankenzimmer kommen. Er muss mit Ihnen sprechen.“ Sie sah zerzaust und müde aus.
„Ich komme sofort.“ Ich wandte mich zur Verabschiedung an Victoria. „Ich hoffe, dass wir bald mehr Zeit finden, um uns miteinander zu unterhalten. Es war mir ein Vergnügen, Sie und Ihre Jägerinnen kennenzulernen. Danke für Ihre Hilfe.“
„Sehr liebenswürdig, Lady Rhea.“ Ihr geschmeidiger Körper sank in die für die weiblichen Zentauren so typische Mischung aus Verbeugung und Knicks. „Wie unsere Göttin uns lehrt, müssen Frauen sich gegenseitig unterstützen.“
„Ganz meine Meinung, Freundin“, rief ich ihr im Fortgehen über die Schulter zu. Ich sah, wie ihre Augen sich erstaunt weiteten, dann zeigten sich wieder die Lachfältchen, als sich ein Lächeln über ihrem Gesicht ausbreitete.
Ja, definitiv Freundinnenpotenzial.
7. KAPITEL
Während ich Carolans Assistentin über den Innenhof folgte, dachte ich über die schönen Zentauren nach. Diese Welt hatte keine Technologie, keine Computer, keine Autos, Fernseher und Ähnliches, aber sie war vielfältig und erfüllt mit klassischer Kultur. Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich hier zu Hause, das
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