Avanias der Große
konnte Böntschakis nicht mit Bestimmtheit sagen.
Aber trotz alledem war er immer noch einer der egoistischsten Menschen überhaupt.
Jetzt hatte er sich wieder zusammengerauft und dachte, dass Palanie ihre gerechte Strafe erhalten habe. Er sei ein großer Mann, der größte aller Zeiten. Was dachte dieser kleine Junge von Avanias, wer er sei, dass er sich gegen ihn erhob und ihm sein Reich zerstören wollte, fragte er.
Er schlenderte wieder hinunter zu seinem großen Empfangssaal. Er trat ein, als wäre überhaupt nichts Tragisches passiert.
Aus seiner Sicht traf dann endlich eine gute Nachricht ein. Ein Kurier meldete, dass das mit ihnen verbündete moighusische Entsatzheer nicht mehr weit weg war. Sie müssten nur noch einige Tage ausharren, dann würden sie von ihnen mit 20000 Mann unterstützt werden.
Hoffnung keimte in Böntschakis wieder auf. Er klatschte in die Hände. Es musste sich um ein Zeichen der Götter handeln, dachte er. Ihm fiel nun wieder das Opfer für die Götter ein.
Anakis war charakterlich kein starker Mann. Er hatte um sein eigenes Leben gefürchtet und zögerte daher nicht, den Befehl seines Königs auszuführen. Er klopfte an der Tür mehrerer Häuser und fragte, ob die Familien einen ihrer Söhne dem Gebetschor des Tempels übergeben würden. Die meisten der unwissenden Eltern erklärten sich ohne langes Zögern bereit, ihre Jungen dem alten Hohepriester mitzugeben. Einige dieser Bürger gaben ihm sogar zwei ihrer Söhne mit. Es waren harte Zeiten und Gebete seien jetzt umso wichtiger denn je, sagten sie.
Als der König in den Innenhof des Tempels eintrat, stand vor ihm ein Haufen von mehr als 100 Kindern. Anakis schrie ihnen entgegen, sie sollten endlich ruhig sein, da der König vor ihnen stehe.
Sie stellten sich in Zehnerreihen auf.
Böntschakis schlenderte durch die Reihen, inspizierte einen jeden Jungen sehr genau und suchte die schönsten Knaben aus.
Nach der Auswahl sagte er zu Anakis, dass das Opfer unverzüglich den Göttern dargebracht werden müsse. Wieder war Anakis entsetzt, aber hatte nicht genug Mut, sich gegen seinen König zu erheben.
Noch an demselben Abend wurde der Tempel für die Bürger geschlossen und die Kinder einer nach dem anderen vor dem Allerheiligsten geführt und von einem eigens für diese Exekutionen ausgebildeten Soldaten von hohem Alter mit einem präzisen Stich in ihr Herz getötet. Den Kindern hatten sie die Augen verbunden. Nachdem jeweils eines der Kinder tot war, wurde es durch den Hinterausgang nach draußen geschafft und dem heiligen Feuer übergeben.
Der Vollstrecker schien für keinen einzigen Augenblick Mitleid für diese Kinder zu haben. Der Mann hatte damals im Großen Krieg schon viele Kinder getötet.
Böntschakis verfolgte diesen grausamen Prozess mit gemischten Gefühlen. Er kannte diese Kinder zwar nicht. Aber er erinnerte sich an seine eigene entbehrungsreiche Kindheit und fragte sich, was denn geschehen wäre, wenn seine Eltern ihn den Göttern zum Opfer gegeben hätten. Als ihm die Tränen kamen, weinte er nicht ihretwegen sondern um sich selbst. Denn er stellte sich, wie bereits geschildert, vor, dass er selbst, als Kind, dort ahnungslos vor dem Vollstrecker stehen würde und sein Leben im nächsten Moment ein Ende hätte. Sein Leben, das er so sehr liebte.
Anakis war auch am Ort des Allerheiligsten, doch konnte er nicht hinsehen, als die Kinder vom alten Mann mit dem Schwert getötet
wurden. Er warf sich vor, die Schuld an diesem schrecklichen Massaker zu tragen. Aber dann war ihm wieder klar geworden, dass sein König ein wahnsinniger und kaltherziger Gewaltherrscher war, der keine Skrupel hatte. Dieser war am Tod dieser unschuldigen Geschöpfe schuld und nicht er. Die Götter hätten nie solch ein kannibalisches Opfer verlangt, davon war er fest überzeugt. Die vermeintliche göttliche Offenbarung des Böntschakis war nur eine Heuchelei dieses Mannes, dachte er.
Am späten Abend klopften die Eltern der geopferten Kinder an seiner Haustür. Sie machten sich Sorgen, da ihre Kinder zu so später Stunde immer noch nicht zurück zuhause waren. Wie hätte er es den Eltern erklären sollen? In seiner eigenen Verzweiflung sah er keinen anderen Ausweg, als sich selbst das Leben zu nehmen. Er erhängte sich im Wohnzimmer seines eigenen Hauses.
Seine Leiche wurde am nächsten Morgen von seinen Priesterkollegen aufgefunden, die den ganzen Tag lang verzweifelt auf sein Erscheinen gewartet hatten.
Der alte Priester konnte mit
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