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Bann der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Bann der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Bann der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Naughton
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Auf dem Tisch vor ihm stand ein unberührtes Kognakglas, in dem sich die gedämpften Lichter spiegelten.
    Er blätterte die Seite um und betrachtete ein Bild von Callia als kleinem Mädchen, wie sie im Sand hinterm Haus schaufelte. Ein anderes zeigte sie lächelnd mit marmeladenverschmiertem Mund; auf einem dritten packte sie die Geschenke zu ihrem sechsten Geburtstag aus. Seite um Seite gefüllt mit Szenen aus ihrem Leben: Bilder von ihr mit ihrer Mutter, mit ihm, von ihr allein.
    Jetzt war sie auch allein, und das war seine Schuld. Er wollte weinen, aber er hatte kein Recht, Tränen zu vergießen, denn sein Verlangen, sie zu seiner Tochter zu formen, hatte ihr alles geraubt, was ihr lieb und teuer war. Ein echter Vater würde das nicht tun, nein, ein liebender Vater würde ihren Wünschen den Vorrang vor seinen eigenen geben.
    Als es an der Tür klopfte, blickte er erschrocken auf, blieb jedoch sitzen. Das Klopfen wurde zu einem energischen Hämmern.
    »Simon, mach die verdammte Tür auf!«
    Lucian. Simon schloss die Augen. Er war wahrlich nicht in der Stimmung, sich mit dem Rat zu befassen, und ihm war gleich, welche Strafe sie sich für seine Lügen ausgedacht hatten. Was machte das noch? Er hatte bereits das Einzige verloren, das ihm je etwas bedeutete. Wenn er nur an Callias Blick dachte, als ihr klarwurde, was er getan hatte …
    »Bist du taub?«, rief Lucian von der Tür.
    Simon hatte nicht bemerkt, dass Lucian schon im Zimmer stand. Die vermaledeiten Diener hatten nicht abgeschlossen!
    »Du siehst aus, als hättest du dir einen Tanz mit Hades geliefert«, sagte Lucian, der noch das traditionelle Chison trug und um die Couch herum auf Simon zukam. »Steh auf.«
    Simon lehnte den Kopf nach hinten und schloss abermals die Augen. »Geh weg. Was immer der Rat beschlossen hat, ich stelle mich ihm morgen. Jetzt will ich einfach nur allein sein.«
    Lucians Schritte verstummten vor Simons Sessel. »Loukas wird vermisst.«
    »Er ist ein erwachsener Ándras und wird schon wieder auftauchen.«
    »Nein, Simon, du verstehst mich nicht. Loukas ist gleich nach dem Eklat in der Ratskammer verschwunden. Eine der Wachen erzählte mir, dass er kurz nach den Argonauten durch ein Portal ging. Und er nutzte dieselben Koordinaten.«
    Langsam öffnete Simon die Augen wieder und blickte zum Ratsvorsitzenden auf. »Warum sollte er ausgerechnet jetzt ins Menschenreich wollen?«
    Lucian verkniff den Mund.
    Prompt überkam Simon ein seltsames Unbehagen. Er stand auf. »Was verschweigst du mir?«
    Lucian und Simon waren ungefähr gleich groß und gleich alt, doch Lucian war stets der Selbstbewusstere von beiden gewesen, ein veritabler Anführer, der wusste, was seine Leute brauchten. Heute Abend hingegen wirkte er erschüttert. Seine schmalen Lippen waren fest zusammengepresst, bis er schließlich sagte: »Vor zehn Jahren ist er auf recht ähnliche Weise durch das Portal gegangen; nur folgte er damals dir und nicht den Argonauten.«
    In Simons Kopf fügten sich lauter winzige Einzelteile zusammen, leuchteten Fragen auf, über die er nachgedacht, deren Antworten er indes eigentlich nicht wissen wollte. »Er folgte mir, um Callia zu finden.«
    Lucian nickte. »Sie war ihm versprochen, und er glaubte dir die Geschichte nicht, dass sie in der Menschenwelt krank geworden wäre.«
    Plötzlich ergab alles einen Sinn. »Als er herausfand, dass sie schwanger war, ging er zu Atalanta und brachte sie zu dem Dorf in Griechenland«, folgerte Simon.
    »Ja. Du musst verstehen, dass Callias Affäre mit einem Argonauten und ihre Schwangerschaft einen Skandal für meinen Sohn bedeuteten, von dem sich keiner von uns ohne Weiteres erholt hätte. Immerhin war sie mit ihm verlobt und er der künftige Ratsvorsitzende.«
    »Du hast es gewusst«, murmelte Simon, in dem Wut aufbrodelte.
    Lucian machte sich gerade. »Ach, tu nicht so, Simon! Du bist nicht unschuldig an dieser Entwicklung. Du hast den Handel mit Atalanta geschlossen, das Leben deiner Tochter gegen das des Kindes eingetauscht. Dazu hat dich niemand gezwungen, also spiel jetzt nicht den Ehrenmann.«
    »Es hätte nie einen Handel gegeben, wäre Loukas nicht zu Atalanta gegangen.«
    »Was geschehen ist, ist geschehen. Daran lässt sich nichts mehr ändern. Wir sollten uns lieber um die Gegenwart sorgen. Ich bin hier, weil ich denke, dass Loukas auch jetzt wieder ins Menschenreich ging, um Atalanta aufzusuchen.«
    Simon war entsetzt. »Warum?«
    »Weil er nicht ahnte, dass das Kind noch leben könnte.

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