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Beruehre meine Seele

Beruehre meine Seele

Titel: Beruehre meine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Vincent
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Besser hätte ich es kaum noch treffen können …“ Thane rollte mit dem Stuhl so dicht ans Bett, dass seine Knie die Matratze berührten, und musterte mich eingehend, als begutachtete er mich. „Na ja, abgesehen von dem Vergnügen, deiner Mutter das Lebenslicht auszulöschen.“
    Ich holte mit der Hand aus, ehe mein Gehirn es überhaupt registriert hatte. Einen Sekundenbruchteil später schmerzte meine Handfläche, und auf der ansonsten makellosen glatt rasierten Wange des Reapers bildete sich eine große, knallrote Stelle.
    Thane warf den Kopf zurück und lachte lauthals, während ich besorgt zur Tür schaute und hoffte, mein Vater würde nichts von all dem mitbekommen. Hoffte, dass Thane nur für mich hör- und sichtbar war.
    „Du bist ja ein richtiges Biest“, sagte er und fühlte mit den Fingern seine Wange. „Wer hätte gedacht, dass aus der kleinen Dreijährigen, die ohne einen Mucks brav gestorben ist, mal so eine Furie wird.“ Er beugte sich näher zu mir vor, und ich hielt unbewusst die Luft an. „Eigentlich eine Schande, ein strahlendes Licht wie dich verlöschen zu lassen. Aber es ist leider wahr, was man über das Leben sagt. Es ist nicht fair. Der Tod dagegen ist die ausgleichende Kraft. Irgendwann kommt er zu jedem, und du hast die Ehre, ihm sogar zweimal zu begegnen.“ Thane lehnte sich wieder in meinem Stuhl zurück und verschränkte erneut die Arme. „Du Glückspilz …“
    „Verschwinde endlich.“ Ich griff nach dem Schläger, in einem plötzlichen Anfall von rasender Wut, die meine Angst für einen Moment verdrängte. „Mach, dass du aus meinem Zimmer kommst, und lass dich nie wieder hier blicken.“
    „Oder was? Hetzt du mir dann deinen Vater auf den Hals?“ Er hob herausfordernd die Augenbrauen, und ich hätte ihm am liebsten gleich noch mal eine verpasst. Mit dem Baseballschläger. „Er ist ein bedauernswerter, verzweifelter Mann, der sich zu einem sehr lästigen Problem entwickeln könnte. Aber man muss seine Entschlossenheit bewundern, mit der er seine Tochter unbedingt retten will. Zu dumm, dass all seine Bemühungen umsonst sein werden.“
    Eigentlich wollte ich es lieber nicht wissen, und ganz sicher wollte ich Thane keinen Grund geben, seinen Besuch weiter auszudehnen, oder ihm gegenüber meine Ahnungslosigkeit zeigen. Aber ich musste einfach fragen: „Was für Bemühungen?“
    „Er hängt seit zwei Tagen in der hiesigen Reaper-Zentrale rum und bettelt jeden an, der ihm zuhört, deinen Todestag gegen seinen zu tauschen. Nicht, dass es einen Unterschied machen würde. Auf deiner Akte steht dick und fett ‚Sonderfall‘, und außerdem ist ein Hinweiszettel angeheftet, der unmissverständlich deutlich macht, dass für dich schon einmal getauscht wurde und darum ein zweiter Deal nicht infrage kommt.“
    Oh oh. Nicht gut .
    „Ich nehme an, du weißt nicht zufällig, wie dein Vater die Zentrale finden konnte, oder?“, fragte Thane, und ich schüttelte den Kopf, obwohl ich insgeheim ganz stark Todd in Verdacht hatte. Wer sonst hätte es ihm erzählen sollen? Wer außer Todd wusste es überhaupt?
    Thane sah mich an, als würde er mir meine Unwissenheit nicht abkaufen, was aber auch egal war, denn er hatte sicher sowieso nicht mit einer ehrlichen Antwort gerechnet. „So amüsant das Spielchen auch sein könnte, wäre es nicht so erbärmlich. Wenn dein Vater nicht langsam aufhört, seine Nase in meine Angelegenheiten zu stecken, wird er sehr bald feststellen, dass sein Todestag mit dem von irgendeiner armen Sau vertauscht wurde, die er nicht mal kennt.“
    „Bist du deswegen hier?“, fragte ich, innerlich vor Wut kochend über so viel Heimtücke. „Um meinem Vater zu drohen?“
    Der Reaper lachte, wenn auch dieses Mal leiser, und ich hasste das Geräusch schon jetzt, nachdem ich es nur zweimal gehört hatte. „Das ist nur eine kleine Zugabe. Ich bin hier, weil ich dich kennenlernen will. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, bleiben uns noch ein paar Tage, die wir zusammen verbringen können, bevor mich die Pflicht ruft, und ich schlage vor, dass wir sie so gut wie möglich nutzen. Magst du mexikanisches Essen?“
    Meinte er das etwa ernst? „Warum tust du das?“
    Er zuckte mit den Achseln. „Ich habe noch nie die Seele von jemandem geholt, der vorher wusste, dass er bald an der Reihe ist. Ich finde es spannend zu sehen, wie du damit umgehst, wenn du weißt, es gibt kein Entrinnen, wie ein Goldfisch im Glas …“
    „Du bist ja krank.“
    Ein weiteres Achselzucken.

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