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Bestien

Bestien

Titel: Bestien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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hatte, umgehen
könne.
»He! Warte!«
Mark war noch zwei Blocks von der Schule entfernt, als er
den Ruf hörte. Er beachtete ihn nicht, bis der Ruf wiederholt
wurde, diesmal mit seinem Namen. Er machte halt und sah sich
um. Einen halben Block zurück war Linda Harris und beeilte
sich, ihn einzuholen. Sie schnaufte, als sie bei ihm anlangte,
und Schweiß glänzte auf ihrer Stirn. »Hast du mich nicht
gehört?« pustete sie. »Seit zwei Blocks schreie ich hinter dir
her.«
»Ich habe dich nicht gehört«, sagte Mark.
»Du meinst, du hast nicht aufgepaßt«, widersprach ihm
Linda. Ihre blauen Augen blitzten übermütig. »Ich habe dich
beobachtet, wie du mit dem Kopf in den Wolken dahingegangen bist. Wenn dich ein Bus überfahren hätte, dann
hättest du es nicht mal gemerkt.«
Mark fühlte sich erröten, aber mehr vor Vergnügen als vor
Verlegenheit. Denn auch Linda hatte sich seit ihrem letzten
Zusammentreffen verändert. In drei Jahren war sie von einem
ungelenken Mädchen mit Zahnspangen und Zöpfen zu einer
sanftgerundeten Fünfzehnjährigen herangewachsen, deren
blondes Haar – etwas dunkler als das ihres Bruders – sanft
gewellt über ihre Schultern fiel. »In Silverdale gibt es keine
Busse, nicht?« konterte er, um Konversation zu machen. Sie
gingen zusammen weiter.
»Doch, einige«, antwortete sie. »Es gibt ein paar Kinder und
Jugendliche, die draußen auf Farmen und Ranchen leben, und
für die gibt es Schulbusse.« Sie sah ihn neugierig an. »Also,
was hat dich so beschäftigt?«
Mark zögerte. Sein erster Impuls war, ihr die Wahrheit zu
sagen: daß er angesichts der Entschlossenheit seines Vaters,
ihn in die Footballmannschaft zu stecken, nach einem Ausweg
gesucht hatte. Aber er war nicht sicher, wie sie darauf reagieren
würde. Und zu seinem Erstaunen wurde ihm bewußt, daß er
sich Linda Harris nicht entfremden wollte. Also zuckte er
lächelnd die Achseln. »Ich weiß nicht, ich glaube, ich sah mich
bloß um. Weißt du, um ein Gespür für die Dinge zu
bekommen. Ich … nun, das tue ich oft«, endete er lahm.
Zu seiner Überraschung nickte sie. »Ich weiß. Ich tue das
auch. Manchmal halten die Leute mich für komisch, weil ich
ganz plötzlich alles ausblende. Aber wenn die Leute reden,
heißt es noch lange nicht, daß du auf sie hören mußt, nicht?«
Sie sah ihn dabei so ernst an, daß er beinahe laut aufgelacht
hätte.
»Du hast recht«, sagte er. »Nicht, daß ich je gründlich
darüber nachgedacht hätte, aber so sehe ich es auch. Und die
meisten Leute scheinen sowieso nicht viel zu sagen zu haben.
Das ist wohl der Grund, daß ich Tiere lieber mag als
Menschen.«
Sie bogen um die letzte Ecke, und Mark blieb stehen
»Himmel«, flüsterte er. »Ist das die Oberschule?«
Linda schaute ihn verständnislos an. »Was gibt es dagegen
einzuwenden?« fragte sie, bereit, ihre Schule zu verteidigen.
»N-nichts«, stammelte Mark. »Es ist nur – na, es ist nicht,
was ich erwartet hatte.«
Ohne sich darüber Gedanken zu machen, hatte Mark als
selbstverständlich angenommen, daß die Schule in Silverdale
wie alle anderen Schulen in den ungezählten Kleinstädten
aussehen würde, durch die sie seit ihrer Abreise aus San
Marcos gekommen waren
– ein einfacher, mit Brettern
verkleideter Holzbau, dessen Farbe abblätterte und das mitten
in einer zertrampelten, absterbenden Rasenfläche in einer
staubigen Gegend am Stadtrand stand, mit einem Sportplatz
aus gestampfter Erde im Hintergrund.
Die Oberschule von Silverdale jedoch hatte nicht ihresgleichen, soweit er es beurteilen konnte. Sie war ein roter,
dreistöckiger Ziegelbau mit zweistöckigen Flügeln, die in Form
eines W angeordnet waren. Alle Fenster hatten weiße Läden, es
gab freundliche Giebeldächer, und den Haupteingang des
Mittelbaues zierten sechs ragende Säulen, die einen Balkon mit
steinerner Balustrade trugen.
Säulen und Balustraden waren aus weißem Marmor.
Das Gebäude war umgeben von samtigen Rasenflächen,
durch die gewundene, mit Ziegeln gepflasterte Fußwege
führten, und vor dem Gebäude waren Gartenanlagen, die selbst
jetzt, im September, in der Pracht bunter Blumen leuchteten.
In der Mitte der Rasenfläche stand ein Fahnenmast. Als die
beiden nähergingen, zogen zwei Jungen langsam die
amerikanische Flagge auf, und aus einem Lautsprecher ertönte
die Nationalhymne. Linda machte Front zur Flagge und stand
stramm, und Mark sah, daß auf den Rasenflächen und den
Zugangswegen auch alle anderen Schüler stehengeblieben
waren und in

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