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Beweislast

Beweislast

Titel: Beweislast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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verheimlichen.
    Immer häufiger quälte Gerd aber der Gedanke, wie lange die Familie noch zu ihm halten würde. Wann würden es die Juristen geschafft haben, dass alle ihn für einen Mörder hielten? Daheim in Donzdorf galt er mit Sicherheit längst als Verbrecher. An den Stammtischen würden sie sagen, dass er karrieregeil gewesen sei, dass er über seine Verhältnisse gelebt habe – und dass so einem alles zuzutrauen sei, wenn sich vor ihm plötzlich Hindernisse auftürmten. Dann ging so einer über Leichen. Ketschmar hörte bereits die Worte des psychiatrischen Sachverständigen, die dieser bei der Verhandlung vor der Schwurgerichtskammer sagen würde. Ja, so einer ging über Leichen. Ganz sicher.

42
     
    In der Stadt brannten die Lichterketten und der erste Schnee war auch schon gefallen. Als Linkohr und Speckinger zu Häberle ins Büro kamen, zog der Duft von flackernden Kerzen durch den Flur. Zwei Zimmer weiter hatte die Sekretärin das dritte Licht am Adventskranz entzündet – obwohl der nüchterne Chef Helmut Bruhn von »derlei sentimentalem Zinnober«, wie er sich oftmals ausdrückte, überhaupt nichts hielt. Am meisten aber ärgerte ihn, dass die Sekretärin seine Abneigung gegen weihnachtliches Ambiente wieder mal ignoriert hatte.
    Häberle hatte sich, obwohl bereits mit einem neuen Fall beschäftigt, sofort zu einem Gespräch bereit erklärt, bot den beiden Kollegen einen Platz am Besuchertisch an und setzte sich dazu. Speckinger, der Ältere von ihnen, kam sofort zur Sache: »Der Fall Grauer hat uns gestern Abend noch beschäftigt. Wir sind uns im Zweifel, ob alle Details ausreichend überprüft worden sind.«
    Und Linkohr fügte hinzu: »Es gibt einige Dinge, die nach dem Ergebnis der DNA außer Acht gelassen wurden.«
    Häberle erwiderte nichts. Er wollte zunächst hören, zu welchen Erkenntnissen die beiden Kollegen gekommen waren. Am schlimmsten war es, wenn Vorgesetzte sofort jeden Einwand und jede neue Idee ihrer Mitarbeiter im Keim erstickten. Das hatte er während seiner langen beruflichen Laufbahn oft genug erleben müssen und darü­ber gestaunt, wie es manche Typen geschafft hatten, ohne jegliche Menschenkenntnis und Führungsqualitäten Chefposten zu erklimmen. Aber wahrscheinlich war gerade dies in Deutschland mittlerweile die beste Qualifikation, um an der Spitze von Unternehmen, Behörden und politischen Gremien stehen zu können.
    »Vor allem Grauers Fotoleidenschaft hat keine Rolle mehr gespielt«, kam Speckinger zur Sache und fingerte in seiner Freizeitjacke nach irgendeinem Gegenstand. »Wieso fotografiert einer Baustellen? Okay, man kann sagen, er will sozusagen wie im Zeitraffer das Entstehen eines Projekts dokumentieren. Mag ja sein, dass dieser Einzelgängertyp darin seinen Lebensinhalt gefunden hat. Aber vielleicht sollten wir uns die Mühe machen, diesen Aspekt noch genauer zu prüfen.«
    Linkohr ergänzte und ließ dabei erkennen, dass er in den vergangenen Jahren nichts an seiner Begeisterung für den Job verloren hatte: »Wir kennen bisher nur einige wenige Baustellen, die er fotografiert hat. Aber mithilfe der Geodaten seines Handys könnten wir vielleicht noch ein paar andere Standorte rauskriegen – obwohl er natürlich sein Gerät nicht immer dabei hatte, wie wir wissen.«
    Häberle machte eine nachdenkliche Miene. »Um ehrlich zu sein. So etwas Ähnliches geht mir auch schon dauernd im Kopf rum. Zwar sieht der Staatsanwalt keinen weiteren Ermittlungsbedarf mehr. Aber auch mich würde interessieren, was der Grauer so getrieben hat …« Er runzelte die Stirn. »Auch wenn das vermutlich nichts mit seinem Ableben zu tun hat. Aber es hat schon Fälle gegeben, die logisch und schlüssig waren – und hinterher hat sich gezeigt, dass dann doch alles ganz anders war.«
    Seine beiden Kollegen hatten gewusst, dass Häberle für Anregungen zugänglich sein würde.
    »Eines haben wir nämlich schon herausgefunden«, erwiderte Speckinger stolz. Er hatte in einer der vielen Taschen seiner Jacke den gesuchten Gegenstand gefunden. Es war sein Notizblock, in dem er jetzt zu blättern begann. »An den bisher drei Baustellen, die wir zuordnen konnten – alle zwischen Göppingen und Ulm gelegen, ist die Firma Pottstett-Bau tätig gewesen.« Speckinger und Linkohr warteten gespannt auf eine Reaktion Häberles.
    Dem aber schienen die Zusammenhänge nicht klar zu werden.
    »Pottstett-Bau?«
    »Ja«, erwiderte Linkohr, »Pottstett-Bau. Die Firma, bei der dieser Eckert aus Echterdingen

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