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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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forensisches Fachgebiet aufkläre. Ich könnte Billys Halsvenen ohne jedes Problem durchbeißen. Die Zähne zusammenbeißen undden Kopf hin und her reißen wie ein Pitbull, bis er Blut spuckt. Das würde ihn in Todesangst versetzen, keine Frage – und höllisch schmerzen würde es außerdem –, doch töten würde es ihn nicht. Vielleicht würde es ihn nicht einmal weit genug außer Gefecht setzen, um ihn daran zu hindern, mir in den Kopf zu schießen.
    Im Gegensatz zu einer zerfetzten Halsschlagader. Eine zerfetzte Halsschlagader wäre Billys sicherer Tod. Und sie würde ihn augenblicklich in Panik versetzen. Nicht viele Menschen schaffen es, ruhig zu bleiben, wenn ihr Blut in einer einen Meter hohen Fontäne pulsierend aus ihrem Hals spritzt. Doch die Halsschlagadern liegen geschützt unter zahlreichen Gewebeschichten.
    Die Halsvenen liegen direkt unter der Haut.
    Billy hat aufgehört zu stoßen. Er ist zu einem stetigen Rhythmus übergegangen und arbeitet über mir wie die meisten Männer, mit denen ich Sex hatte, während er stöhnt und ächzt, die Augen leer, und während sein Atem in schnellen, abgerissenen Zügen geht.
    Sein Atem …
    Die Luftröhre ist ein hohler Schlauch aus nach hinten offenen Knorpelspangen, zusammengehalten durch Bindegewebe und Muskeln, die den Raum zwischen den Spangen ausfüllen. Unfallopfer sterben oft an den Folgen einer durch den Aufprall auf das Lenkrad zerquetschten Luftröhre. Reichen vierzehn Kilo pro Quadratzentimeter aus, um eine Luftröhre zu zerquetschen? Mein Instinkt und meine Ausbildung sagen Ja.
    Außerdem sind vierzehn Kilo pro Quadratzentimeter eine runde Zahl. Eskimos – die sich von viel zäheren Lebensmitteln ernähren als wir – erreichen in der Regel den doppelten Beißdruck. Eine Frau, die ihr Leben retten will, sollte imstande sein, es ihnen gleichzutun.
    Schon ist mein Blick von Billys vorquellender Halsvene zu dem ungeschützt daliegenden Halbkreis seiner Luftröhre gewandert. Um sie richtig zu packen, müsste ich den Kopf zurSeite drehen, sodass mein Biss senkrecht zur Luftröhre verläuft. Auf diese Weise schlägt ein Leopard eine Antilope – indem er ihren Hals mit seinen langen Fangzähnen packt. Und dazu ist ein seitlicher Biss erforderlich.
    Nicht wie ein Leopard, denke ich. Wie eine Leopardin. Wie Lena …
    Ich entdecke einen Leberfleck an Billys Halsansatz. Dunkelbraun, mit schwarzen Haaren darauf. Seine Nackenmuskeln sind so stark angespannt, dass ich seinen Adamsapfel nicht sehen kann. Doch ich weiß, dass er dort ist. Mein Ziel liegt unmittelbar darüber, die kürzeste und verwundbarste Stelle der Luftröhre …
    »Mmmm«, stöhnt Billy. »Oh ja … ich bin gleich so weit …«
    Er hat die Pistole immer noch in der linken Hand – nicht seiner Handlungshand. Er könnte mich trotzdem damit erschießen, keine Frage. Doch ich habe nicht die Zeit, um auf ein Wunder zu warten. Ich neige meinen Kopf so weit zur Seite, wie ich kann, öffne den Mund und fange an, an seinem Hals zu saugen.
    »Scheiße, ist das geil …« , ächzt er. »Oh jaaa …«
    Ich öffne den Mund weiter und erforsche mit der Zunge die weiche Geographie seines Halses. Ich ertaste die linke Halsvene … den Kamm des Brustbein-Schildknorpelmuskels, den versunkenen Kehlkopf …
    Als Billy sich dem Höhepunkt seiner Bemühungen nähert, wirft er den Kopf zurück, wie manche Männer es tun. Ich öffne den Mund, so weit ich kann, und beiße mit aller Kraft, die ich aufbringen kann, in seinen Hals.
    Unter meinen Zähnen kracht es laut, als der Knorpel bricht.
    Es fühlt sich an, als hätte ich eine Hühnerbrust durchbissen, mitsamt Knochen und allem. Billys Körper versteift sich, und Blut schießt in einem heißen Schwall in meinen Mund. In Gedanken sehe ich nur noch, wie die Pistole hoch zu meinem Kopf ruckt und mein Gehirn durch den ganzen Wagen spritzt.
    Doch das geschieht nicht.
    Billy zuckt mit Armen und Beinen wie ein Mann, der von einer Dreschmaschine erfasst worden ist, doch je mehr er versucht, sich von mir zu lösen, desto mehr Raum habe ich, den Kopf mit aller Gewalt nach hinten zu reißen. Für ein paar Sekunden sind wir in wildem Kampf ineinander verkeilt, dann kommen meine Zähne plötzlich frei. Seine Hand zuckt nach oben zu seiner Kehle, und Hoffnung flammt in mir auf wie eine Überdosis Adrenalin.
    Er hat die Waffe nicht mehr in der Hand!
    Schaumiges Blut spritzt aus einer ausgefransten Wunde an seinem Hals, doch es ist nicht das Blut, das mich schockiert. Es

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