Blaubeertage (German Edition)
»This is our tired rant about Henry the wire tyrant.«
»Wie kann denn Geschwätz müde sein?«, frage ich. »Ist das Wort an sich nicht schon lebendig?«
Henry spielt einen Akkord, schaut eine Weile an die Decke, während er noch ein paar weitere Akkorde anschlägt und dann singt er: »I’m so tired of the same old rant when what I really need is a second chance.«
Mason nickt. »Ja. Lass uns den Song ›Fire Hydrant‹ nennen.
Sie lachen alle, aber Derrick fängt an, sich auf einem Block Notizen zu machen, während die anderen etwas von zweiten Chancen und Neuanfängen in den Raum brüllen. Ich kann nicht glauben, dass ich eben gerade die Geburt eines Songs miterlebt habe, die ihren Anfang in dem Wort hydrant genommen hat. Es ist seltsam, wenn man sieht, wie etwas aus Nichts geschaffen wird. Ich denke dabei an mich und daran, wie Xander versucht, aus meinem Nichts von Leben etwas zu machen. Wie er es irgendwie geschafft hat. Er hat das Lächerliche etwas meines Lebens, meinen Hydranten, genommen und mir klargemacht, dass ich daraus etwas anderes machen kann. Mehr daraus machen kann.
Nach all dem, was heute passiert ist, stimmt mich dieser Gedanke glücklich. Die anderen rufen immer noch Stichworte durcheinander und ich mache mit. Sie kommen mit dem Song ziemlich voran, bis die Blödelei wieder die Oberhand gewinnt, als jemand irgendeinen Reim mit Schildkrötensuppe durch den Raum brüllt: »And why won’t you just let me eat turtle soup?«
Skye schnappt empört nach Luft, aber alle brechen in Gelächter aus.
Um zehn lachen wir immer noch und es ist jetzt einfach nur noch albern. Skye liegt auf dem Boden halb über mir. »Ich bring dich mal lieber nach Hause, Kleines«, sagt sie. »Morgen hat unsere Minderjährige Schule.«
»Ich übernachte heute Nacht bei dir!«, brülle ich.
»Wirklich?«
»Das stand jedenfalls auf meinem Zettel, den ich meiner Mutter hinterlassen habe, also muss es wohl stimmen.«
»Hey! Pyjamaparty.«
»Wir sollten irgendein Haus mit Klopapier zumüllen«, schlage ich vor.
»Ja. Super Idee! Wessen Haus?«
»Keine Ahnung.« Dann hebe ich meine Hand, als wären wir in der Schule. »Xanders!«
Sie lacht. »Wer hat Lust, Xanders Haus mit Klopapier zuzumüllen?«
Die Jungen schauen uns nur an und stöhnen.
»Euch brauchen wir nicht.« Ich stehe auf. »Lass uns gehen.«
Skye läuft vor, und als ich schon durch die Tür bin, werde ich zurückgezogen. Ich wirbele herum und mein Gesicht trifft auf Masons Brust. Wir stehen im halbdunklen Flur.
Er küsst mich auf die Wange. »Du bist gegangen, ohne dich zu verabschieden.«
Ich weiche einen Schritt zurück und unsere Blicke treffen sich. »Ich …«
Er blinzelt heftig. »Du und Xander, stimmt’s?«
»Ich glaub schon.«
»Bist du sicher, dass ihr zusammenpasst?«
Ich weiß genau, was er damit meint, aber als Xanders Bild vor meinem inneren Auge auftaucht, nicke ich.
Er zuckt gleichgültig mit der Schulter. »Du weißt ja, wo du mich findest.« Und damit verschwindet er wieder zurück ins Zimmer.
31.
S kye und ich halten beide zwei Rollen Klopapier in der Hand und starrten auf das verschlossene Tor vor Xanders Haus. »Ist es nicht ein bisschen früh für einen Klopapierstreich?«, fragt Skye. »Es ist noch nicht einmal halb elf. Im Haus brennen noch alle Lichter.«
»Dafür kann es nie zu früh sein. Die eigentliche Frage ist doch: Wie kommen wir überhaupt rein?« Ich versuche, mich zwischen zwei Gitterstäben durch den Zaun zu quetschen, bleibe aber mit dem Oberschenkel stecken. Ich fange an zu lachen.
»Hast du jemals schon mal was Verbotenes getan?«, fragt Skye.
»Ich glaube nicht.«
»Es macht Spaß mit dir, wenn du albern bist.« Skye fasst mich unter den Achseln und versucht, mich herauszuziehen. Sie bricht vor Lachen fast zusammen. Endlich bekommt sie mich frei. Ich lande auf ihr und wir beide plumpsen auf den Boden.
»Lass uns doch einfach nur den Zaun mit Klopapier einwickeln.«
»Wird Xander das genauso komisch finden wie wir?«
Ich habe keine Ahnung. »Mit Sicherheit.«
Es ist dunkel, aber es gelingt uns, Toilettenpapier um die Gitterstäbe zu wickeln. Seit wann macht es eigentlich solchen Spaß, so kindisch zu sein? Ich brauche eine Minute, bis ich merke, dass ich beim Wickeln plötzlich besser sehe. Und noch eine Minute, bis mir klar wird, woran das liegt: Jemand leuchtet uns mit einer Taschenlampe an. Der Taschenlampenträger räuspert sich. »Meine Damen. Amüsieren Sie sich gut?«
»Ja, sehr«, sagt
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