Blick in Den Abgrund -3-
frage?«
Gomez grunzte. »Hicks hat heute Morgen von einem Mädchen gesprochen, auf das deine Beschreibung passt. Lila Simons. Siebzehn Jahre, stammt aus Tacoma. Eine Ausreißerin. Sie lebt seit März auf der Straße. Wir haben sie ein paarmal wegen Handel mit Ecstasy festgenommen.«
»Ich muss mit ihr reden«, sagte Davy. »Habt ihr sie in Gewahrsam?«
Gomez zögerte. »Nicht ganz. Sie ist im Leichenschauhaus. Eine Gruppe Kinder hat sie heute Morgen beim Spielen auf einer Baustelle gefunden. Sieht nach einer Überdosis aus. Es ist nicht mein Fall, aber ich habe zufällig mitbekommen, wie Hicks über sie sprach. Er war derjenige, der es ihrer Familie sagen musste.«
»Oh.« Der Eisklumpen in Davys Magen verdichtete sich. »Ich verstehe.«
»Hast du eine Spur für Hicks?«, wollte Gomez wissen. »Es klingt fast danach.«
»Noch nicht«, wich Davy aus. »Ich melde mich, sobald ich mehr weiß.«
»Hmm.« Gomez klang zweifelnd. »Du warst in letzter Zeit wohl sehr beschäftigt.«
»Beschäftigt genug.«
»Vielleicht könnten wir uns bald mal treffen und darüber quatschen, was du so getrieben hast. Allmählich werde ich neugierig, was deine jüngsten Aktivitäten betrifft.«
»Das machen wir«, versprach Davy. »Aber heute geht es nicht. Ich bin gerade auf dem Weg nach Endicott Falls. Connor heiratet heute.«
»Kein Scheiß? Richte ihm meinen Glückwunsch aus!« Gomez’ Stimme wurde wärmer. »Ruf mich an, wenn du wieder zurück bist.«
»In Ordnung.« Davy legte auf und starrte eine ganze Weile durch die Windschutzscheibe, bevor er Margot ansah. »Das Gothic-Mädchen ist tot«, informierte er sie widerstrebend. »Die Polizei geht von einer Überdosis aus.«
Margots Sommersprossen hoben sich dunkel von ihrer plötzlichen Blässe ab.
»Vielleicht ist es nicht dasselbe Mädchen«, sagte er. »Oder nur ein Zufall.«
Sie streichelte Mikey, während sie blicklos aus dem Fenster starrte. »Du hast gesagt, du glaubst nicht an Zufälle. Ich tue das auch nicht. Nicht mehr.«
Er hatte sich in seiner eigenen Schlinge verfangen. Mist! »Denken wir nicht mehr daran. Ich bin froh, dass wir die Stadt verlassen.«
»Äh, Davy? Bist du immer noch sicher, dass du mich zu dieser Hochzeit mitnehmen möchtest? Falls du lieber aus der Sache aussteigen würdest … immerhin türmen sich hinter mir allmählich Leichenberge auf.«
»Vergiss es!«
Sein barscher Ton ließ sie zusammenfahren.
Einige Minuten eisigen Schweigens verstrichen. Er schämte sich dafür, sie angeschnauzt zu haben, obwohl sie doch nur Angst hatte. »Es ist nicht deine Schuld.«
Margot verbarg das Gesicht hinter ihren Haaren. »Warum glaubst du mir, Davy?«
»Was meinst du damit?«
Sie warf ihm einen fassungslosen Blick zu. »Mann! Dass ich Craig und Mandi nicht umgebracht habe. Was sollte ich sonst meinen?«
»Ach, das.« Davy musste seine Gedanken neu sortieren. Er war völlig darin vertieft gewesen, über den Pfandleiher und das Gothic-Mädchen nachzudenken. »Das ist leicht.«
»Tatsächlich? Dann lass mal hören.«
»Zum einen wird deine Geschichte durch Snakey und die widerliche Scheiße, die er anrichtet, bis zu einem gewissen Grad bestätigt. Zum anderen habe ich jede Menge Erfahrung im Vernehmen von Personen. Ich habe mit schuldigen Menschen gesprochen. Selbst wenn ich es mit einem Profi zu tun habe, weiß ich, wie Schuld aussieht, wie sie sich anfühlt, wie sie riecht. Du bist kein Profi. Und du bist nicht schuldig.«
Sie quittierte das mit einem nervösen Lächeln. »Meine einzige Schuld besteht darin, dich in diesen Schlamassel reingezogen zu haben.«
»Ich bin reingesprungen«, widersprach er. »Mit den Füßen voran. Ich wurde nicht reingezogen.« Außer vielleicht von seinem Schwanz . Aber diese vulgäre Überlegung behielt er für sich. »Ich habe mir letzte Nacht im Internet die Berichterstattung in den Zeitungen über dich angesehen.«
Sie sah ihn mit großen Augen an. »Ja? Und?«
»Ich hätte gespürt, dass an der Sache etwas faul ist, selbst wenn ich dir nie begegnet wäre«, sagte er vollkommen aufrichtig. »Außerdem …«
»Ja?« Ihr Blick wurde ängstlich.
»Die roten Haare standen dir toll.«
Er fühlte sich ein wenig besser, als sie zu kichern begann. Es klang tränenerstickt, trotzdem war es ein Kichern. Besser als nichts.
Es war eine lange Fahrt. Die drückende Stille im Wagen machte Margot verrückt. Sie hatte Stille noch nie gut ertragen können. Besonders jetzt nicht. Dadurch hatte sie zu viel Zeit, über den
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