Blow Out (German Edition)
dieses verdammte Zeug in der Atmosphäre anreichert und die Temperaturen weiter anheizt.«
»Reine Spekulation«, entgegnete Leuthard. »Bis heute ist das wissenschaftlich nicht eindeutig belegt.«
»Bei allem Respekt, Dr. Leuthard«, wandte Emma ein, »es ist schwer vorstellbar, dass eine Regierung wissentlich bei solch einem Vorhaben mit von der Partie sein soll. Sie behaupten allen Ernstes, Mettrack verklappt auch heute noch illegal Kohlendioxid?«
»Weshalb nicht an Bewährtem festhalten?«, erwiderte er sarkastisch. »An Mettracks Methoden hat sich seit den Anfangstagen der Independence nicht viel geändert.«
»Mettrack betreibt über sechzig Bohrinseln!« Nick war völlig außer sich. »Sollte Ihre Behauptung wahr sein, wären die Mengen an verklapptem Kohlendioxid gigantisch.«
»Es verhält sich so, wie ich es Ihnen sage. Und ja, die Mengen sind unvorstellbar.«
»Nein.« Emma wedelte mit dem Zeigefinger vor Leuthard hin und her. »Niemand hätte eine Bohrgenehmigung für solch ein technisch unausgereiftes Projekt ausgesprochen. Immerhin gab es damals die Behörde für Mineralienförderung, quasi eine staatliche Öl-Lizenzabteilung des US- Innenministeriums, die über jedes einzelne Bohrprojekt in US- Gewässern entschied. Niemals hätte man unter diesen Voraussetzungen ein derartiges Projekt abgesegnet.«
Leuthards Gesicht verzog sich einmal mehr zu seinem totenkopfähnlichen Grinsen. »Ich will Ihnen etwas über diese Behörde erzählen, junge Dame. Sagt Ihnen der Name Deepwater Horizon etwas?«
»Selbstverständlich. Die Explosion der Deepwater Horizon im Golf von Mexiko führte 2010 zur bisher schlimmsten Ölpest in der Geschichte der Vereinigten Staaten.«
»Auch die Deepwater Horizon hätte niemals eine Genehmigung erhalten dürfen«, entgegnete Leuthard ungerührt. »Im Zuge der Ermittlungen zu diesem Unglück kamen Umstände ans Tageslicht, die man ebenfalls kaum für möglich gehalten hätte. Diese Behörde, die eigentlich die Öl-Lizenzen und Bohrungen der Mineralölkonzerne unabhängig überwachen sollte, war korrupt bis in die Haarspitzen. Keine andere Kontrollabteilung eines US- Ministeriums wurde dermaßen stark von der Industrie unterwandert. Anstatt Lizenzen kritisch zu prüfen, feierte man lieber gemeinsam mit Vertretern der Mineralölkonzerne exzessive Drogen- und Sexpartys. Bohrgenehmigungen wurden nach der Devise Wird schon schiefgehen erteilt. Die Betreibergesellschaften von Ölplattformen kontrollierten sich praktisch selbst und bescheinigten sich einfach selber ausreichende Sicherheitsvorkehrungen. Gesetzlich vorgeschriebene Umweltexpertisen holte man erst gar nicht ein. Man benötigte noch nicht einmal Gefälligkeitsgutachter, um die staatlichen Kontrolleure zufriedenzustellen. Ein paar Gramm Koks und genügend Nutten reichten vollkommen.« Leuthard hatte sich in Rage geredet. Speichel troff aus seinem hängenden Mundwinkel. Beinahe zärtlich wischte ihn seine Tochter mit einem Taschentuch ab.
»So viel dazu, wie Mettrack an die erforderlichen Genehmigungen kam«, fasste Nick zusammen. Er warf Emma einen Blick zu, als trüge sie an allem eine Mitschuld, nur weil sie amerikanische Staatsbürgerin war.
Sie ignorierte ihn und überlegte stattdessen laut: »Weshalb beteiligte sich die Regierung an einem von vornherein kriminell angelegten Projekt?«
»Na, weshalb wohl?«, schnaubte Leuthard. »Wirtschaftlicher Druck. Man wollte die Methanhydratförderung etablieren, solange wichtige wirtschaftliche und rechtliche Fragen noch ungeklärt im Raum schwebten. Wer bekommt welche Bohrlizenzen? Inwieweit gelten für die Grenzziehung in der Tiefsee und am Meeresboden die Regeln der Internationalen Seerechtskonvention? Ich erinnere nur an die Russen, die um die Jahrhundertwende eine Flagge auf den Meeresboden der Arktis gesetzt und erklärt hatten, die Bodenschätze der Arktis gehörten von nun an Russland. Es waren viele Fragen offen. Vor allem aber gab es noch kein internationales Haftungsrecht für den Fall von Umweltschäden durch den Abbau von Methanhydraten.«
»Für die illegale Verklappung von Kohlendioxid aber schon«, warf Nick ein.
»Ja, nur, wo kein Kläger, da kein Richter.«
»Sie, Rochas, Chevallier und River Maddox waren die Kläger«, gab Nick zu bedenken. »Bei allem Respekt, Dr. Leuthard, es muss Ihnen doch klar gewesen sein, welches Risiko Sie eingingen, als Sie sich mit Ihren Erkenntnissen an Officer Marcus Brooks wandten.«
»Albert Einstein sagte: Die Welt
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