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Blut und rote Seide

Blut und rote Seide

Titel: Blut und rote Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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länger anzuhören. Als Anwalt kenne ich meine Rechte«, sagte Jia und sah Chen fest in die Augen. »Morgen können Sie mit einem Durchsuchungsbefehl bei mir erscheinen, vor, während oder nach der Gerichtsverhandlung.«
    »Bleiben Sie, Herr Jia.« Chen machte eine besänftigende Geste. »Ich habe Ihnen ja noch gar nicht von einem weiteren Verkaufsargument für mein Buch erzählt. Um der romantischen Spannung willen werde ich Teile meines Interviews mit Xia abdrucken.«
    »Sie haben mit Xia gesprochen? Offenbar sind Sie zu allem fähig, wenn es darum geht, den Prozeß in Sachen Wohnungsbauskandal zu unterlaufen.«
    »Nicht doch. Aber die Affäre zwischen einem erfolgreichen Anwalt und einem gefeierten Model wäre ein guter Werbegag für Der rote qipao – das Original .«
    »Sie klammern sich an den letzten Strohhalm. Wir haben uns vor langer Zeit getrennt. Das hat mit Ihren Auslassungen nichts zu tun, ganz gleich ob Fiction oder Non-fiction.«
    »Menschen begegnen sich und trennen sich auch wieder, das ist normal. Warum sie sich trennen, das ist interessant und regt die Phantasie der Leser an. Xia wird zwar nicht viel sagen, aber die Paparazzi werden ihr schon zusetzen. Früher oder später zerren sie dann intime Details über Ihr Privatleben ans Licht und fügen es in das psychologische Profil des Sex-Killers ein. Dabei werden sie sich auf eine Besonderheit der Morde kaprizieren, nämlich daß die Opfer entkleidet, aber nicht vergewaltigt wurden. Einigen Reportern ist dieser Widerspruch bereits aufgefallen.«
    »Sie vergessen eines, Oberinspektor«, gab Jia zurück und stand wütend auf. »Bevor es Ihnen gelingt, die Aufmerksamkeit der Presse zu erregen, könnten weitere Morde passieren. Und ich bezweifle, daß die Öffentlichkeit positiv auf einen unverantwortlichen Polizeibeamten reagieren würde, der nichts als seinen literarischen Erfolg im Kopf hat.«
    Diese Drohung konnte Chen nicht von der Hand weisen. Nach einem chinesischen Sprichwort sprang ein verzweifelter Hund sogar über eine Mauer. Und daß Jia in der Lage war, trotz Polizeiaufgebot erneut zuzuschlagen, das hatte er bereits im Joy Gate bewiesen.
    Weiße Wolke betrat wieder das Zimmer, noch immer im roten qipao .
    »Entschuldigen Sie, es ist Zeit, die Suppe zu würzen.« Sie hob den Deckel und streute die Würzmischung in die Brühe. Die Schildkröte ruderte jetzt mit wachsender Verzweiflung und verspritzte Brühe nach allen Seiten. Dann deckte Weiße Wolke neue Löffel und Schalen auf, bevor sie sich mit einem entschuldigenden Lächeln an Jia wandte: »Nehmen Sie doch bitte wieder Platz.«
    Vielleicht hatte sie durch die Milchglasscheibe der Tür verfolgt, was im Zimmer dahinter vor sich ging.
    Weder Chen noch Jia sprachen in ihrer Gegenwart, und sie entfernte sich leichtfüßig. Im Zimmer war es still, nur das Zischen der Schildkröte im Topf war zu hören.
    »Heute ist dongzhi , die Nacht der Familienzusammenkünfte und der Begegnung zwischen Lebenden und Toten«, setzte Chen an. »Meine Mutter wollte, daß ich zu ihr komme, aber aus konfuzianischer Sicht haben die Angelegenheiten des Staates Vorrang. Ich muß alles in meiner Macht Stehende tun, damit es kein weiteres Opfer im roten qipao geben wird. Die Verantwortung liegt bei mir.«
    »Dann müssen Sie auch dafür geradestehen«, bemerkte Jia, »wenn wegen Ihrer phantastischen Geschichte ein wirklicher Mörder entkommt.«
    »Der wirkliche Mörder wird nicht entkommen. Ebensowenig wie die Schildkröte in der Suppe. Die übrigens stärkt yin und yang gleichermaßen, eine wahre Götterspeise.« Chen warf einen Blick in den Topf. »Was glauben Sie, wie sehr sich die Leser für die Schilderungen des sexuellen Verlangens eines Jungen nach seiner Mutter interessieren werden. Das wird ihnen den Begriff des Ödipus-Komplexes nahebringen.«
    »Chinesische Leser können Sie mit diesem psychologischen Fachjargon nicht beeindrucken.«
    »Genau. Unsere Leser scheren sich nicht um den Unterschied zwischen Bewußtem und Unbewußtem. Sie werden sagen: ›He, der war so scharf auf seine Mutter, daß er keine andere Frau mehr vögeln konnte, also hat er diese perversen Morde begangen, damit er bei der Vorstellung von der Vereinigung mit seiner Mutter einen Orgasmus kriegt.‹«
    Jia erwiderte nichts, sondern starrte auf das Glasgefäß, wo die Schildkröte noch immer paddelte, inzwischen aber wesentlich langsamer.
    »In einem Thriller, den ich übersetzt habe, ist es dem Serienmörder ziemlich gleichgültig, was

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