Blut von meinem Blut: Thriller (German Edition)
dass er daran denken muss, wie du …«
Ohne daran denken zu müssen, wie ich von meinem eigenen Freund vergewaltigt, gefoltert, verstümmelt und ermordet werde. Ach, verdammt. Sie brachte es nicht mehr fertig, auf ihren Vater wütend zu sein. Jetzt nicht mehr.
» Großer Gott, Whiz, mit dir zu reden ist manchmal besser als Yoga. «
» Nimm nicht … «
» … den Namen des Herrn achtlos in den Mund. Ich weiß. Tut mir leid. «
» Es wird nicht passieren, oder? «
» Was meinst du? «
Whiz schluckte. » Jazz wird dir nichts tun, oder? «
Oh, Mann … So nervtötend ihr kleiner Bruder sein konnte, sie wusste, er liebte sie auf diese verkümmerte Art, die kleine Brüder an sich haben. Es brachte sie schier um, den Schmerz in seinen Augen zu sehen, als er die Frage stellte. Sie sah mehr als nur die Befürchtungen ihres Bruders. Sie sah die Ängste ihres Vaters ebenfalls in ihnen widergespiegelt. Ihr ganzes Leben lang war ihr Vater so stark gewesen, hatte so mächtig vor ihr aufgeragt, dass sie sich nie vorstellen konnte, wie er vor etwas Angst hatte. Nicht einmal vor Jazz. Vor nichts …
» Niemand wird mir etwas tun « , sagte sie zu Whiz. Und dann umarmte sie ihn, einem seltenen Impuls folgend, und war angenehm überrascht, dass er sich ihr nicht entzog. Dann küsste sie ihn genau auf den Scheitel und sagte es noch einmal, lauter diesmal, laut genug, damit sie es selbst ebenfalls glaubte.
23
Zum ersten Mal seit Langem hatte Jazz das Haus für sich allein. Nach dem Frühstück war Gramma wieder einmal von ihrer fixen Idee wegen Grampas letzter Ruhestätte gepackt worden. Manchmal bildete sie sich ein, er sei aus dem Grab auferstanden – » wie Jesus und Bugs Bunny « –, und ließ sich nur durch einen Besuch auf dem Friedhof vom Gegenteil überzeugen. Jazz hasste diese Tage. Gramma kroch dann stundenlang um den Grabstein herum und untersuchte die Erde und jeden einzelnen Grashalm auf irgendwelche heimtückischen Machenschaften. Es war eine lausige Art, einen Tag zu verbringen.
Doch Tante Samantha erbot sich freiwillig, Gramma hinzufahren, was hieß, dass Jazz allein im Haus war, ohne sich Sorgen um seine Großmutter machen zu müssen. Er wusste fast nicht, was er tun sollte. Es war so ruhig – so wahrhaft ruhig, ohne die Vorahnung eines drohenden Ausbruchs von Gramma. Vielleicht sollte ich Connie anrufen, und wir balgen uns zur Abwechslung in meinem Zimmer herum.
Der Einfall kam ihm automatisch, und er stimmte ihn sofort nachdenklich. Er sollte Connie wirklich anrufen. Aber was konnte er ihr sagen? Vor allem nach seinem Benehmen gegenüber ihrem Vater am Flughafen. Zusammen mit dem Hotelzimmerfiasko wäre es ein Wunder, wenn sie überhaupt noch mit ihm sprechen wollte.
Oh, du könntest sie schon dazu bringen, mit dir zu reden …
Nein. Halt den Mund, Billy. Nicht Connie. Bei Connie tue ich das nicht.
Er streifte ziellos im Haus umher und richtete hier und dort eine Kleinigkeit. Davon inspiriert fing er an, etwas von dem alten Mist wegzuwerfen, den seine Großmutter im Lauf der Jahre angehäuft hatte. Der Sammeltrieb der Serientäter war in den Genen der Dents stark verankert, und Gramma duldete nie, dass Jazz etwas wegwarf, wenn sie in der Nähe war. Doch wenn sie den ganzen Tag fort war, konnte er ein bisschen aufräumen, ohne dass sie es merkte. Es war ja nicht so, dass sie hell genug gewesen wäre, sich den ganzen Mist zu merken, den sie auftürmte.
Er dachte über Connie nach, während er mit einem Müllsack durch das Haus wanderte. Er wusste, dass er ihr gegenüber unfair gewesen war, aber er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie er es wiedergutmachen sollte. Er durchlebte die Nacht im Hotelzimmer noch einmal, immer wieder ging er sie in seiner verdammenswert tadellos funktionierenden Erinnerung durch. Wie er aus dem Traum erwacht war. So köstlich und besinnungslos an Connie gepresst. Wie sie sich ihm zugewandt hatte, mit großen dunklen Augen. Wie sie einander berührt hatten, vertraute Berührungen, die auf brisante Weise unvertraut und dringlich geworden waren.
Und dann … wie er sie weggestoßen hatte und auf den Boden gefallen war, zu Panik und Angst verzerrte Lust.
Ja, wie konnte er das wiedergutmachen? Wie konnte er die Erinnerung daran, wie ihr Freund in nackter Angst vor ihr geflohen war, aus Connies Geist löschen?
Er schleppte den Müll nach draußen und stellte ihn zur Abholung neben den Briefkasten, dann ging er ins Haus zurück und rollte seinen Koffer ins Gästezimmer. Er
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