Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition)
irgendwer so viel Geld für ein Stückchen buntes Papier ausgibt.«
Piernan starrte mich mit großen Augen an. »Das ist die längste Rede, die ich bisher von Ihnen gehört habe.«
»Tut mir leid.« Ich stieß ein unsicheres Lachen aus. »Ich nehme an, dass mir die Arbeit für die Polizei etwas zu schaffen macht.«
»Ich finde, Sie haben recht. Irgendwann hat die Finanzbranche mich richtiggehend krank gemacht. Weshalb ich ausgestiegen bin.«
»Sie kennen doch wahrscheinlich irgendwelche Leute bei der Angel Bank«, erkundigte ich mich.
»Sogar jede Menge. Ich habe selbst vor ein paar Jahren Wertpapiere dort verkauft.«
»Das haben Sie mir noch gar nicht erzählt.«
»Ich hatte Freunde dort«, fuhr Piernan achselzuckend fort. »Aber irgendwann wurde mir trotzdem klar, dass ich mit meinem Leben langfristig was anderes anfangen will.«
Er blickte mich so unbehaglich an, dass ich erkannte, dass das nur ein kleiner Teil seiner Geschichte war.
»Es kommt einem vor wie ein Kartell des Schweigens«, sagte ich. »Irgendwas an diesem Laden stimmt nicht, und egal, was es auch ist, hat es irgendwen um den Verstand gebracht.«
Er zog überrascht die Brauen hoch. »Dann muss sich dort in den letzten Jahren etwas verändert haben. Denn zu meiner Zeit gab es natürlich Konkurrenz zwischen den Leuten, aber niemand hat dem anderen deshalb die Kehle aufgeschlitzt.«
Ich hätte Piernan gerne weiter ausgefragt, doch er lenkte das Gespräch auf unverfänglichere Themen, und nach einem Augenblick ließ er mich stehen und holte uns zwei neue Gläser Wein. Mein Unbehagen aber hatte sich noch nicht wieder gelegt. Vielleicht, weil es ein Leichtes war, mir vorzustellen, mit ihm ins Bett zu gehen, nachdem ich über Monate hinweg morgens alleine aufgewacht war. Denn schließlich war er ausnehmend charmant und amüsant. Doch wie würde es dann weitergehen? Sicher hätte ich dann wieder das Gefühl, dass ich in einer Falle saß, und führe keuchend aus dem Schlaf.
Ich nahm die anderen Menschen in der Galerie nur noch verschwommen wahr, nachdem Piernan in der anderen Raumecke noch einmal von dem Galeriebesitzer angesprochen worden war. Die Frau neben mir versuchte, ihren Mann dazu zu bringen, zwei bestimmte Drucke zu erstehen. Dabei guckte sie verdrießlich wie ein Kind, das auf mehr Taschengeld bestand.
»Einer reicht«, erklärte er entschieden. »Schließlich kann der Preis von einem solchen Druck nicht nur rauf-, sondern auch runtergehen.« Während er versuchte, die Auseinandersetzung zu gewinnen, verzog er den Mund zu einem hässlich schmalen Strich.
Ganz egal, wohin ich blickte, grübelten die Leute über ihren Katalogen und versuchten auszurechnen, ob der Preis eines bestimmten Bildes wohl in Ordnung war. Erst als Piernan wiederkam, fühlte ich mich wieder halbwegs wohl. Wir fanden eine ruhige Ecke, und er war so unterhaltsam, dass ich von der allgemeinen Kaufwut, die mich in der Galerie umgab, kaum noch etwas mitbekam. Der Galerist lief hin und her und brachte rote Aufkleber an Rahmen an, während Piernan nach den Kürzungen der Gelder im Gesundheitswesen fragte und mich mit Geschichten von einem Bekannten unterhielt, der ein fürchterlicher Wichtigtuer war und allen Menschen, die er kannte, regelmäßig auf die Füße trat. Die Zeit verging so schnell, dass ich irgendwann bei einem Blick auf meine Uhr verblüfft bemerkte, dass inzwischen Mitternacht vorüber war.
Piernan sah auf mich herab. »Wann sehen wir uns wieder?«
»Ich rufe Sie an, wenn das für Sie in Ordnung ist.«
»Selbstverständlich ist es das.« Ich nahm das amüsierte Zucken seines Mundes wahr. »Schließlich müssen Sie erst nachsehen, ob es in Ihrem Terminkalender irgendwo noch eine Lücke gibt.«
Ich stieg in das Taxi, das er mir herbeigewinkt hatte, und durch das offene Fenster drückte er mir noch ein kleines Päckchen in die Hand.
»Für dich, Alice. Ein kleines Zeichen meiner Wertschätzung.«
Noch ehe ich etwas erwidern konnte, fuhr das Taxi los, und sein verrücktes Grinsen war das Letzte, was ich von ihm sah.
Ich öffnete das braune Packpapier, und mir stockte der Atem. In dem Päckchen lag der Schmetterling, der mir so gut gefallen hatte. Seine Flügel schillerten in einem leuchtenden Türkis, und in genau derselben Farbe hatte Andy Warhol dieses Bild signiert.
17
Als ich zwölf Jahre alt gewesen war, hatte mir mein erster Freund etwas geschenkt. Das neueste Album von Duran Duran, auf das ich wirklich wild gewesen war, und trotzdem hatte ich
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