BLUTIGER FANG (German Edition)
eingejagt hatte.
„Blödes Ding!“
Bronco tastete nach einem Kleiderbügel, wurde fündig und schleuderte ihn gegen die Figur, die auch das geduldig hinnahm.
Dann nahm er noch mal ein Streichholz, zündete es an und leuchtete.
Dieses Mal erschrak er nicht mehr. Er sah jetzt deutlich, dass er einer Schaufensterpuppe aufgesessen war, die da vorn im feinen Zwirn gleich bei der Tür stand und ihn reglos anstarrte.
Bronco lachte kurz auf und spürte, wie sich der aufgestaute Horror auf diese Weise abbaute.
Die Flamme erlosch.
Bronco ließ sich an der Wand niedersinken und setzte sich auf seinen Hosenboden. Er ruhte aus, zündete ein neues Streichholz an und leuchtete den Gang damit ab. Jetzt, nachdem sich seine Augen noch mehr an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er besser sehen, dass es hier aussah wie in einem Schweinestall. Der Flur quoll über von Rollwagen, Kartons, Kleiderständern, leeren Paletten und allem möglichem Krimskrams. Es sah hier eher aus wie in einer Abstellkammer als wie in einem Durchgangsflur, der als Personaleingang fungierte.
Plötzlich holte ihn die Sorge ein, wie es mit Linda und Kramer stand. War Frank schon tot? Und vor allem: Waren die Löwen noch im 1. Stock und verhielten sich ruhig oder liefen sie bereits im Kaufhaus umher und murksten alles ab, was ihren Weg kreuzte?
Bronco wusste es nicht. Er wusste aber, dass er sich diesen Fragen zu stellen hatte, und je früher er das tun würde, um so besser.
Deshalb stand er auf, vergewisserte sich, dass er alles – auch die leer geschossene Pistole – dabeihatte und ging mit einem Streichholz leuchtend auf die Tür zu, die ihn noch von der Kaufabteilung trennte. Nach Munitionsnachschub würde er später noch sehen.
Kurz darauf leuchtete er der Puppe ins unbewegte Gesicht, sah, dass ihr irgendwer die Augen schwarz und groß nachgezeichnet hatte, und haute ihr eine runter.
Doch das siegreiche Lächeln brach abrupt ab.
Von draußen herein drang das erschütternde Gebrüll eines der Löwen. Woher zum Teufel kam es? Es war so laut, dass Bronco gewillt war anzunehmen, es käme aus dem Erdgeschoss. Waren sie also doch heruntergekommen?
Bronco hatte einmal gehört, dass das Löwengebrüll das lauteste ist in der ganzen Katzenfamilie. Die Tiere konnten also durchaus noch oben sein. Gottverdammt, sie konnten überall sein! Er spürte die unterschwellige Gefahr, die von ihnen ausging, selbst dann, wenn sie gar nicht zugegen waren.
Und jetzt musste er da raus, wenn er nicht auffliegen wollte. Er hatte viel zu tun, wenn die Sache doch noch zu seinen Gunsten ausgehen sollte. Und das sollte sie, unbedingt!
Während er an der Tür alle Schlüssel durchprobierte, sagte er sich vor, was er alles erledigen wollte. Sein Ton kam ihm mechanisch und kalt vor, als wäre er gar nicht bei der Sache. Bei all dem quälte ihn die Erinnerung, wie der Wächter von dem Pascha erledigt worden war. Einer der Gründe, warum ihn diese Bilder so im Griff hielten, war wohl auch die Dunkelheit. Sie umgab ihn wie jene im Kino. Vorne auf der Leinwand spielte sich alles um so deutlicher ab.
Bronco fingerte weiter mit den Schlüsseln herum.
Endlich passte einer und er öffnete vorsichtig die Tür.
Vor ihm erkannte er die Schuhabteilung für Damen.
Ein mattes Dämmerlicht, das von einer Wandbeleuchtung herrührte, war alles, womit er auskommen musste. Im Gegensatz zu dem Flur, durch den er eben geschlichen war, war es hier geradezu hell.
Bronco wusste von den Beobachtungsbesuchen in den Tagen zuvor, dass dieser Personaleingang auf derselben Seite war wie der Aufzug, über den sie gekommen waren. Unweit der Damenschuhabteilung ging es hinüber in die Sportabteilung und von da, wo er jetzt war, konnte er auch die Rolltreppen von vorn sehen, die in einiger Entfernung den Hauptdurchgang zerschnitten.
Hinter den Rolltreppen war in diagonaler Richtung auf der anderen Seite des Hauptdurchgangs die Lebensmittelabteilung, wo Linda und Kramer sein mussten – wenn sie noch da waren.
Bronco beschloss, nicht durch die einzelnen Abteilungen zu gehen, sondern sofort auf den Hauptdurchgang zuzuhalten. Er horchte und sichtete nochmals in alle Richtungen, bevor er losging und versuchte, förmlich zu riechen, wo die Löwen sein könnten.
Es war alles ruhig.
Doch gerade das war es, was ihn nervös machte. Denn er wusste, dass diese Stille für Großkatzen das Beste war. Katzen waren wahre Meister der Stille und standen überhaupt nicht auf Lärm und Rummelplatz – es
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