Bluttat
Augen verlor. Sie beharrte darauf, dass es nur eine Sekunde war, der Laden war voll, sie drehte sich um, und Kristal war verschwunden. Aber verlangsamt Rauschgift nicht die Reflexe?«
Milo beugte sich vor, nahm seinen Block aus der Tasche, schrieb aber nicht.
Nina Balquin sagte: »Es ist schrecklich, so etwas über die eigene Tochter zu sagen, aber wie ist es sonst zu erklären? Ich habe drei Kinder großgezogen, und als Kleinkind war Mark ein regelrechter Derwisch, überall gleichzeitig, man konnte ihn einfach nicht dazu bringen, stillzusitzen. Aber ich hab ihn nie verloren . Wie kann man nur ein Kind verlieren!«
Ihre Stimme war so laut geworden, dass der letzte Satz fast einem Schrei gleichkam. Sie ließ sich schwer zurückfallen und massierte ihre linke Schläfe. »Verdammte Kopfschmerzen … meiner Tochter die Schuld zu geben ist das Letzte, was ich will, aber objektiv gesehen … vielleicht ist das der Grund, weshalb Lara so viele Schuldgefühle empfand, dass sie getan hat, was sie - ach, spuck’s aus, Nina ! Vielleicht ist das der Grund, warum sie sich umgebracht hat!«
Ihre Hände begannen wie wild zu zittern. Sie setzte sich auf sie und schloss die Augen. Ein hohes Wimmern drang hinter ihren geschlossenen Lippen hervor.
»Wir wissen, wie schwer das für Sie ist, Ma’am«, sagte Milo. »Wir wissen Ihre Offenheit zu schätzen.«
Nina Balquin schlug die Augen auf. Ihr Gesichtsausdruck war leer.
»Einsicht«, sagte sie, »kann ganz schön beschissen sein.«
Während Milo sich bei ihr bedankte, ging ich zur gegenüberliegenden Wand und sah mir die Fotos an. Ein Paar in den Dreißigern mit zwei Kindern unter zehn - der Buchprüfersohn und seine Familie. Eine Frau, die Lara Malley ähnelte, in Robe und Barett. Das Gesicht war gröber als Laras, und rote Haare lockten sich unter dem Doktorhut. Schwester Sandy.
Kein Bild von Lara, aber unter ihren Geschwistern hing ein billig gerahmter Schnappschuss von Kristal im Format acht mal dreizehn. Ein Babyfoto - sie war noch kein Jahr alt, danach zu urteilen, wie man sie beim Sitzen abstützen musste. Sie trug ein pinkfarbenes Cowgirlkleid und einen dazu passenden Hut. Sich aufbäumende Mustangs und Kakteen im Hintergrund, ein winziger Mond über der Prärie, professionell retuschiert. Wahrscheinlich eins dieser Kinderfoto-Studios, wie man sie in jedem Einkaufszentrum findet.
Lächelndes Baby, pummelig, mit rosigen Wangen. Große braune Augen schauten in die Kamera. Auf ihrem Kinn glänzte es feucht - offenbar Sabber vom Zahnen.
»Das hab ich bekommen«, sagte Nina Balquin, »als ich bei ihnen vorbeikam, um Kristal ein Weihnachtsgeschenk zu bringen. Sie hatten einen Stapel davon. Um das da musste ich bitten .«
Als wir gingen, stand sie mit einem vollen Glas in der Hand im Türrahmen.
Milo fuhr los und murmelte: »Manchmal kommt mir meine verrückte Familie nicht so schlecht vor.«
»Mom kann Barnett nicht ausstehen«, sagte ich, »aber sie hat nie in Erwägung gezogen, dass er Lara ermordet haben könnte.«
»Diese Frau ist so zerbrechlich«, sagte er, »dass ich darauf gewartet habe, Scherben aufzulesen. Ich weiß nicht, wie sie damit fertig wird, falls wir feststellen, dass Barnett um einiges schlimmer ist, als sie für möglich gehalten hat.«
Auf dem Rückweg entschied sich Milo gegen den Freeway und nahm den Van Nuys Boulevard nach Norden und wechselte dann auf den Beverly Glen. Als wir durch den Cañon kurvten, sagte er: »Ganz wie Malleys Umgebung, nicht? Abgesehen davon, dass es Trillionen-Dollar-Häuser, Tennisplätze, ausländische Autos, sehr viel mehr Grün und keine Campingplätze gibt.«
»Völlige Übereinstimmung«, sagte ich.
»Beleuchtet irgendwas von dem, was Balquin sagt, Malley in psychologischer Hinsicht?«
»Falls sie glaubwürdig ist, hat er Lara von ihrer Familie isoliert, war verschlossen, was seine Herkunft betrifft, und hat Rauschgift genommen. Wir wissen, dass der Teil über das Waffenlager stimmt. Wenn man hinzunimmt, wie er auf uns reagiert hat, gibt es ein ganz schönes Potenzial für üble Dinge.«
»Sagt man nicht, dass Männer, die ihre Frauen isolieren, sie auch missbrauchen?«
»Es ist ein Risikofaktor«, sagte ich. »Falls Malleys grundsätzliche Einstellung zum Leben lautete: Wir gegen die Welt, dann hätte der Mord an Kristal das bestätigt.«
»Die Welt ist verdorben und gefährlich, also bleib bewaffnet und wachsam.«
»Und schlag zurück. Was mich interessiert, ist Ninas Verdacht, dass Laras Nachlässigkeit
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