Boris Pasternak
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Dritter Teil
Weihnachten bei den Swentizkis
Irgendwann im Winter hatte
Alexander Gromeko seiner Frau einen altertümlichen Kleiderschrank geschenkt,
der ein Gelegenheitskauf war. Er war aus schwarzem Holz und von gewaltiger
Größe. Ganz ging er durch keine Tür. Er wurde in auseinandergenommener Form
angeliefert, in einzelnen Teilen ins Haus gebracht, und nun wurde überlegt, wo
er aufgestellt werden sollte. In die unteren Räume, die größer waren, paßte er
wegen seiner Bestimmung nicht hinein und in die oberen auch nicht, weil sie zu
niedrig waren. Darum wurde ein Teil des oberen Treppenabsatzes neben der
Schlafzimmertür der Gromekos frei gemacht.
Der Hausmeister Markel
übernahm es, den Schrank zusammenzubauen. Er brachte seine sechsjährige Tochter
Marina mit. Marina bekam ein Stänglein Gerstenzucker geschenkt. Die Nase
hochziehend und an dem Lutscher und den nassen Fingern leckend, sah sie mit
gesenkter Stirn ihrem Vater bei der Arbeit zu.
Eine Zeitlang ging alles wie
geschmiert. Vor Anna Iwanownas Augen wuchs der Schrank in die Höhe. Auf einmal,
es mußte nur noch das Oberteil aufgesetzt werden, kam es ihr in den Sinn,
Markel zu helfen. Sie stellte sich auf den hohen Boden des Schrankes, kam ins
Wanken und stieß gegen die Seitenwand, die nur von Nutenzapfen gehalten wurde.
Der Knoten der Leine, die Markel um den Schrank gebunden hatte, ging auf. Mit
den niederpolternden Brettern fiel Anna Iwanowna auf den Rücken und verletzte
sich empfindlich.
»Ach, Mütterchen, gnädige
Frau«, rief Markel und stürzte zu ihr, »warum haben Sie das gemacht, Sie Liebe?
Sind die Knochen heil? Befühlen Sie Ihre Knochen. Die Knochen sind das
Wichtigste, beim Fleisch ist es nicht so schlimm, das wird schon wieder, das
ist ja nur fürs Pläsier der Damen. Und du heul nicht, dumme Gans«, fuhr er die
weinende Marina an. »Wisch dir die Nase und geh zu Mama. Ach, Mütterchen,
gnädige Frau, als ob ich dieses Kleiderdings nicht auch ohne Sie aufgestellt
hätte! Sie denken bestimmt, ich bin bloß Hausmeister, aber in Wirklichkeit ist
die Tischlerei mein Beruf. Was meinen Sie, wie viele von diesen Möbeln,
Schränken und Büfetts schon durch meine Hände gegangen sind im Sinne von Lack
oder im Gegenteil von Edelholz, Mahagoni oder Nußbaum. Oder zum Beispiel was
nicht alles im Sinne reicher Bräute für Ausstattungen an meiner Nase
vorbeigeschwebt sind, entschuldigen Sie den Ausdruck. Und der Grund für das
Ganze — das Saufen, die starken Getränke.«
Mit Markeis Hilfe gelangte
Anna Iwanowna zu einem Sessel, den er ihr hinschob, und nahm ächzend und die
geprellten Stellen reibend Platz. Markel machte sich daran, die Zerstörung zu
beseitigen. Nachdem er das Oberteil aufgesetzt hatte, sagte er: »So, jetzt bloß
noch die Türen, dann kann er zur Ausstellung.«
Anna Iwanowna mochte den
Schrank nicht. In Aussehen und Größe ähnelte er einem Katafalk oder einer
Zarengruft. Er flößte ihr abergläubisches Entsetzen ein. Darum hatte sie dem
Schrank den Namen »Askolds Sarg« gegeben. Darunter verstand sie Olegs Roß,
einen Gegenstand, der seinem Herrn den Tod bringt. Da ihre Lektüre lückenhaft
war, brachte sie verwandte Begriffe durcheinander.
Mit diesem Sturz begann ihre
Anfälligkeit für Lungenerkrankungen.
Den ganzen November
neunzehnhundertelf mußte Anna Iwanowna mit einer Lungenentzündung das Bett
hüten.
Jura und Mischa Gordon sollten
im nächsten Frühjahr die Universität, Tonja die Hochschulkurse für junge
Mädchen abschließen, Jura als Arzt, Tonja als Juristin und Mischa als Philologe
an der Philosophischen Fakultät.
In Juras Innerem war alles
verworren und verschoben und alles sehr urtümlich - Ansichten, Fertigkeiten und
Gepflogenheiten. Er war beispiellos leicht zu beeindrucken, und die
Neuartigkeit seiner Wahrnehmungen ließ sich nicht beschreiben.
Aber wie groß auch sein Hang
zur Kunst und Geschichte war, mit seiner Berufswahl hatte er keine
Schwierigkeiten. Er meinte, die Kunst tauge nicht zur Berufung in dem Sinne,
wie auch angeborener Frohsinn oder Neigung zur Melancholie kein Beruf sein
kann. Er interessierte sich für Physik und Naturwissenschaft und fand, im
praktischen Leben müsse man sich etwas Gemeinnützigem widmen. Also studierte er
Medizin.
Vier Jahre zuvor, im ersten
Studienjahr, hatte er sich ein ganzes Semester lang in den Kellerräumen der
Universität anhand von Leichen mit Anatomie beschäftigt. Auf der sich
durchbiegenden Treppe stieg er
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