Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bradbury, Ray - Halloween

Bradbury, Ray - Halloween

Titel: Bradbury, Ray - Halloween Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Halloween
Vom Netzwerk:
bemalte Tücher gewickelte Stimme. »Folgt mir! Ihr findet mich in …«
Die Stimme verklang, denn der Beerdigungszug
war um eine Ecke des dunklen Labyrinths gebogen
und verschwunden.
»Wohin sollen wir dir folgen, Pipkin?« Tom Skelitt sprang aus seiner Nische und rief in die Finsternis. »Wo sollen wir dich finden?«
Doch genau in diesem Augenblick fiel Downground wie ein gefällter Baum aus seiner Nische.
Wumm! schlug er auf dem Boden auf.
»Warte!« warnte er Tom und blickte ihn aus einem
Auge an, das aussah wie eine Spinne, die in ihrem
eigenen Netz gefangen ist. »Wir werden Pipkin
schon noch retten. Aber mit Vorsicht. Ihr müßt
schleichen, Jungs, psst!«
Sie halfen ihm auf, nahmen ihm einige der Bandagen ab, schlichen auf Zehenspitzen durch den langen
Gang und bogen um die Ecke.
»Auweia«, flüsterte Tom. »Seht nur: Sie legen
Pipkins Mumie in den Sarg und den Sarg in den …
den …«
»Sarkophag.« Downground sprach ihm den Zungenbrecher vor. »Ein Sarg in einem Sarg in einem
Sarg. Jeder größer als der vorige, und alle mit Hieroglyphen versehen, die seine Lebensgeschichte erzählen.«
»Pipkins Lebensgeschichte?« fragten sie.
»Oder wer immer Pipkin zu dieser Zeit war, in
diesem Jahr, vor viertausend Jahren.«
»Ja«, flüsterte Ralph. »Seht euch die Bilder auf
den Seiten des Sargs an. Pipkin mit einem Jahr. Pipkin mit fünf. Pipkin mit zehn – wie er rennt. Pipkin
in einem Apfelbaum. Pipkin, wie er so tut, als würde er im See ertrinken. Pipkin, wie er sich durch einen Pfirsichgarten ißt. Moment mal – was tun sie
jetzt?«
Downground verfolgte das Geschehen. »Sie stellen Möbel in die Grabkammer, damit er im Land der
Toten welche hat. Und Schiffchen, Drachen, Kreisel.
Frisches Obst für den Fall, daß er in hundert Jahren
aufwacht und hungrig ist.«
»O ja, da wird er sicher hungrig sein. Du liebe
Zeit, sie gehen hinaus! Sie verschließen die Grabkammer!« Downground mußte Tom packen und
festhalten, denn der begann verzweifelt auf und ab zu
springen. »Pipkin ist noch immer da drin, begraben!
Wann retten wir ihn endlich?«
»Später. Die Lange Nacht ist ja noch jung. Wir werden Pipkin wiedersehen, keine Angst. Und dann …«
Die steinerne Tür der Grabkammer fiel zu.
Die Jungen jammerten und schrien. Im Dunkeln
konnte man das Kratzen und Schmatzen des Mörtels
hören, als die letzten Steine eingesetzt und die Risse
und Fugen verschmiert wurden.
Die Trauernden gingen mit stummen Harfen davon.
Ralph stand in seiner Mumien-Verkleidung
benommen da und sah den Schatten nach.
»Bin ich darum als Mumie verkleidet?« Er betastete die Binden. Er strich über die lehmig-rissige
alte Haut seines Gesichtes. »Ist das meine Rolle bei
dem, worum es an Halloween geht?«
»Ganz genau, Junge«, murmelte Downground.
»Was die Ägypter gebaut haben, sollte bestehen. Sie
haben für zehntausend Jahre geplant. Grabkammern,
Jungs, Grabkammern. Gräber. Mumien. Knochen.
Tod, Tod. Der Tod war das Herz, der Magen, das
Licht, der Leib und die Seele ihres Lebens! Grabkammern und noch mehr Grabkammern, mit geheimen Zugängen, damit man sie nicht finden konnte,
damit Grabräuber keine Seelen, kein Gold, kein
Spielzeug stehlen konnten. Du bist eine Mumie, weil
das die Art war, wie sie sich damals für die Ewigkeit
anzogen. Sie glaubten, daß sie, wenn sie in einen
Kokon aus Stofffäden eingehüllt wären, in einer anderen, weit entfernten, wunderschönen Welt als herrliche Schmetterlinge wiedergeboren würden. Sieh dir
deinen Kokon genau an. Streich über das eigenartige
Material.«
»Aber«, sagte Ralph die Mumie und betrachtete
blinzelnd die rauchgeschwärzten Wände und die alten Hieroglyphen, »dann war für die ja jeder Tag
Halloween!«
»Jeder Tag«, riefen die anderen voller Bewunderung.
»Ja, und für die auch«, sagte Downground und
zeigte mit dem Finger.
Die Jungen fuhren herum.
Eine Art grünliches Leuchten erfüllte die Grabhöhle. Der Boden wankte wie bei einem Erdbeben.
Irgendwo drehte sich ein Vulkan im Schlaf um und
erhellte mit seiner feurigen Schulter die Wände.
Und an den Wänden gegenüber waren prähistorische Wandbilder von Höhlenmenschen, die lange vor
den Ägyptern gelebt hatten.
»Jetzt«, sagte Downground.
Ein Blitz zuckte herab.
Säbelzahntiger hielten schreiende Höhlenmenschen gepackt. Andere versanken in Teergruben.
Kreischend gingen sie unter.
»Wartet. Laßt uns ein paar mit Feuer retten.«
Downground zwinkerte. Blitze setzten einen Wald
in Brand. Ein

Weitere Kostenlose Bücher