Brenda Joyce
Stunde zuvor benutzt hatte.
Francesca sank auf den Schreibtischstuhl und
griff Haltsuchend nach der Schreibtischkante. »Ich kann alles erklären«,
sagte sie.
»Tatsächlich? Nun, ich kann es kaum erwarten. Tun Sie sich keinen
Zwang an – erzählen Sie mir frei von der Leber weg, was in aller Welt in Sie
gefahren ist, dass Sie heute Mittag an dieser Kreuzung aufgetaucht sind.«
Sie blickte ihm in die Augen. »Ich wollte
helfen«, sagte sie leise.
»Helfen? Helfen?« Seine Stimme wurde lauter. »Ist es etwa
eine Hilfe, wenn Sie sich von einem Rohling wie Gordino vergewaltigen lassen?«
Mittlerweile schrie er fast.
»Woher – woher wissen Sie das?«, stammelte
Francesca.
»Unser kleiner Freund hat es mir erzählt«,
sagte Bragg, dem es offenbar gelungen war, seine Selbstbeherrschung wieder zu
finden. Er stand mit gespreizten Beinen vor ihr, die Arme verschränkt. »Ich warte
immer noch auf eine Erklärung.«
Das Sprechen fiel ihr nicht leicht. »Ich habe
den Jungen sehr gern«, sagte sie, und sie wussten beide, dass sie von Jonny
Burton sprach. »Und ich kann den Gedanken, dass er entführt worden ist nicht
ertragen. Ich dachte, er würde vielleicht dort hingebracht, ich dachte, Sie
würden vielleicht meine Hilfe benötigen!«, rief sie. Bragg zog erstaunt die
Augenbrauen hoch und setzte zu einer Antwort an, doch Francesca ließ ihn gar
nicht erst zu Wort kommen. Sie stand auf.
»Diese Nachricht, die Joel Ihnen gegeben hat
– stammte sie von dem Schuft, der ihn entführt hat? Ist es eine Lösegeldforderung?
Hat Joel Ihnen erzählt, für wen er arbeitet? Wissen oder vermuten Sie, wer
Jonny entführt hat?«
»Setzen Sie
sich!«, fuhr Bragg sie an.
Francesca unternahm keinen Versuch zu protestieren und gehorchte.
Er stützte sich mit den Händen auf der Schreibtischplatte ab und
beugte sich zu ihr hinüber.
»Ist Ihnen bekannt, dass kürzlich ein neues Gesetz erlassen worden
ist?«, fragte er mit leiser Stimme. »Ein Gesetz, das es als eine schwere
Straftat einstuft, wenn jemand ein laufendes Ermittlungsverfahren behindert?«
Francesca
erstarrte. »Wie bitte?«, fragte sie entgeistert.
»Miss
Cahill, ich könnte Sie wegen Behinderung einer polizeilichen Untersuchung
anklagen lassen. Sind Sie sich dessen bewusst?« Er beugte sich noch weiter
vor.
Francesca wich zurück und schüttelte
verneinend den Kopf.
»Dann sind Sie sich wohl auch nicht bewusst,
wie schwer wiegend eine solche Anklage ist?«, fuhr er fort, wobei sein Gesicht
von dem ihren nicht mehr weit entfernt war. Doch sie presste ihren Rücken
bereits so fest gegen die Stuhllehne, dass der Stuhl womöglich nach hinten
gekippt wäre, wenn sie sich noch weiter zurückgelehnt hätte. Sie wagte kaum zu
atmen. Nahm sie da etwa einen Hauch von Whiskeygeruch in seinem Atem wahr, der
sich mit dem Duft seines Rasierwassers mischte?
»Nun?«
»Nein, dessen bin ich mir nicht bewusst«, flüsterte Francesca
erschüttert.
»Sie haben ein Verbrechen begangen, Miss Cahill«, sagte Bragg und
blickte ihr dabei geradewegs in die Augen. »Eine sehr schwere Straftat, für die
man bis zu zehn Jahre im Gefängnis landen kann.«
Francesca war einer Ohnmacht nahe. Es war nie ihre Absicht
gewesen, etwas Unrechtes zu tun. »Beabsichtigen Sie, mich strafrechtlich zu
belangen, Commissioner?«, hörte sie sich fragen.
»Als Commissioner der Polizeibehörde könnte
ich Sie in dieser Sekunde ins Gefängnis stecken und Sie so lange dort lassen,
bis ich mich entscheide, ob ich Sie belange oder nicht.«
Sie begann heftig zu blinzeln, nahm dann den wenigen Rest an Mut
und Würde zusammen, der ihr noch geblieben war, und stand abrupt auf.
»Sollten Sie das auch nur versuchen,
Commissioner, so möchte ich bezweifeln, dass Sie Ihre Position lange innehaben
werden«, sagte sie mit blitzenden Augen. Trotz der Angst, die sie verspürte,
war sie unglaublich wütend. Wie konnte er es nur wagen, ihr zu drohen?
Bragg starrte sie ungläubig an und fragte mit erstickter Stimme:
»Sie drohen mir?«
In diesem Augenblick wurde Francesca klar,
dass sie womöglich einen Fehler begangen hatte. Aber schließlich hatte ihr
noch nie in ihrem ganzen Leben jemand auf eine Weise gedroht, wie Bragg es
getan hatte. Natürlich war er streng genommen im Recht, doch immerhin war sie
keine der Prostituierten von der Straße oder irgendeine betrügerische
Verkäuferin. Sie war Andrew Cahills Tochter und hatte Respekt verdient. Ihr
Vater war ein Freund von Platt. Er war sogar ein noch besserer Freund
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