Brenda Joyce
man nennt es einen Tümmler, Joel.«
Francesca, die in dem Salon auf und ab geschritten war, blieb wie
angewurzelt stehen, als plötzlich ein Mann ihres Alters im Türrahmen
auftauchte.
»Miss Cahill?«, fragte er. Er war mittelgroß,
hatte dunkelbraunes Haar und war weder besonders attraktiv noch unscheinbar.
»Guten Tag. Sie müssen Bill Randall sein.« Francesca lächelte
herzlich und reichte ihm eine ihrer Karten. Während er einen Blick darauf warf,
sagte sie: »Das mit Ihrem Vater tut mir sehr Leid.«
Er steckte ihre Karte in die Tasche seiner Hausjacke und betrat
das Zimmer. Sein Blick war verzweifelt und voller Schmerz. »Und? Werden Sie das
Verbrechen aufklären?«
»Das hoffe
ich sehr«, erwiderte Francesca.
Er lächelte. »Sie kommen mir ein wenig jung vor für eine
Detektivin.«
»Ich
glaube, wir sind ungefähr im gleichen Alter.«
»Ich bin
einundzwanzig.«
»Und ich
zwanzig«, sagte sie.
Wieder lächelten sie einander an. Dann forderte Bill sie auf,
Platz zu nehmen, und fragte, ob sie eine Erfrischung wünsche. Francesca lehnte
dankend ab. »Ich habe gerade erst zu Mittag gegessen.«
Er nickte. »Wie kann ich Ihnen behilflich sein? Und wer ist der
Junge?«
»Joel ist mein Gehilfe. Er ist überaus vertraut mit der Stadt und
hat eine wichtige Rolle bei meinem letzten Fall gespielt.« Joel strahlte, als
er ihre Worte vernahm.
»Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass dies Ihr erster Fall
ist«, sagte Bill überrascht.
»Nein.« Sie schüttelte nachdrücklich den Kopf.
»Ich habe bei der Aufklärung der Burton-Entführung eng
mit der Polizei zusammengearbeitet.« Sie ließ ihn die Neuigkeit erst einmal
in sich aufnehmen. Die Entführung war in der Presse als »Jahrhundertverbrechen«
bezeichnet worden, und Bill schien entsprechend beeindruckt zu sein. »Haben Sie
eine Ahnung, wer Ihren Vater erschossen haben könnte?«, fragte Francesca.
Er erhob sich. »Ich glaube, Mary hat Ihnen bereits mitgeteilt, wer
unseren Vater so sehr gehasst hat, dass er nicht davor zurückgeschreckt wäre,
ihn kaltblütig zu ermorden.« Seine Augen funkelten.
»Sie teilen also die Meinung Ihrer
Schwester?«
»Ja.«
»Halten Sie Calder Hart für einen bösen
Menschen?«
»Hat Mary das gesagt?« Er zuckte mit den
Schultern. »Er ist ein schlechter Mensch, der es genießt, andere Menschen zu verletzen
– er hat es unglaublich genossen, unserer Familie wehzutun.«
Francesca war ein wenig unbehaglich zumute. Sie hoffte, dass Bill
Randall übertrieb, konnte sich aber durchaus vorstellen, dass Hart eine
grausame Seite besaß. »Auf welche Weise hat er Ihrer Familie wehgetan?«
Bill warf ihr einen kühlen Blick zu. »Er ist eines Tages bei uns
aufgetaucht und hat sich vorgestellt. Für meine Mutter brach in diesem Moment
eine Welt zusammen. Ist das nicht schon ausreichend?«
Francesca konnte sich vorstellen, welch einen Schock ein solcher
Vorfall auslösen musste – da tauchte ein Mann wie aus dem Nichts auf und
behauptete, der Sohn des eigenen Mannes zu sein. »Wann war das?«
»Was hat das mit dem Mord an meinem Vater zu
tun?«
»Ich versuche, mich in Calder Hart hineinzuversetzen«, erwiderte
Francesca. Sie fragte sich, ob Bill womöglich ebenfalls seinen eigenen Vater
gehasst hatte, weil er seine Mutter derart verletzt hatte.
»Vor zehn Jahren. Ich werde den Tag niemals vergessen. Es war ein
sehr heißer Sommertag, und wir waren gerade mit Packen beschäftigt, weil wir
unsere Ferien in den Adirondacks verbringen wollten. Ich war elf Jahre alt. Der
Sommer war damit natürlich für uns ruiniert.«
»Es muss
ein großer Schock gewesen sein.«
Bill
erwiderte nichts.
»Haben Sie heute schon einen Blick in die Zeitung geworfen?«
»Ja«, erwiderte Bill schroff.
»Insbesondere
in die Times?«
»Es wäre mir lieber, wenn Sie mir eine offene Frage stellen
würden, Miss Cahill.« Mittlerweile klang Bills Tonfall gar nicht mehr
freundlich.
Francesca zögerte. »Ich würde gern erfahren, wie viel Sie über das
Privatleben Ihres Vaters wussten.«
»Ich
wusste schon seit einigen Jahren von seiner Mätresse.«
Francesca
erhob sich. Sie wollte zwar keine vorschnellen Schlüsse ziehen, aber
möglicherweise besaß auch Bill ein Motiv für den Mord. »Wusste auch Ihre Mutter
darüber Bescheid? Und Mary?«
Sie sah, dass sein Gesicht einen angespannten Ausdruck annahm.
»Warum?«, fragte er.
»Ich versuche, ein sehr kompliziertes Puzzle zusammenzusetzen,
Bill. Bitte haben Sie noch ein wenig Geduld mit mir.«
Er
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