Bucheckern
Kaffeebecher mit dem aufgemalten Bild eines Jack-Russell-Terriers stand auf dem Tablett neben der Kaffeemaschine.
Wellmann goss die Tasse wie immer unaufgefordert voll, worauf Conradi aus seinem Koffer ein Päckchen Kaffee entnahm. „Das war doch die richtige Sorte“, sagte er, „ich war extra im Bio-Laden dort bei der Hauptpost. Aus ökologischem Anbau und fairem Handel, ich finde, man schmeckt’s.“
Lindt nickte: „Wir hier sind uns einig, lieber etwas weniger Kaffee trinken, dafür aber einen wirklich Guten.“
Staatsanwalt Conradi war Mitte vierzig und wohnte mit seiner Frau und einer erstaunlich folgsamen Jack-Russell-Terrierhündin ganz in der Nähe von Lindts Wohnung in der Karlsruher Waldstadt.
Direkt am Hardtwald, der grünen Lunge der Großstadt, gelegen, lässt es sich dort wirklich gut leben. Schöne Schulen und Freizeiteinrichtungen, ein attraktives Waldstadt-Zentrum und mit der Linie 4 eine schnelle Straßenbahnverbindung zur Innenstadt machen den Reiz dieser beliebten Wohngegend aus.
„Na, wie geht’s Frau und Hund?“ fragte der Kommissar und zeigte dabei auf die Tasse mit dem Terrierbild.
Conradi hatte die Tasse vor einiger Zeit von Lindt und seinen Mitarbeitern geschenkt bekommen und kam seither noch lieber auf einen Kaffee vorbei. Die Beamten der Ermittlungsgruppe fanden den Staatsanwalt durchweg sympathisch und freuten sich, wenn er für ein paar Minuten hereinkam. Dass dabei ein kurzer und persönlicher Draht zur Staatsanwaltschaft entstand, ergab sich im Laufe der Zeit als durchaus nützlicher Nebeneffekt.
Bei seinen Besuchen hatte Conradi stets neue Hundestorys parat, denn trotz der guten Erziehung war die Terrierdame immer für ein paar Streiche gut.
„Wenn wir nur mehr Zeit hätten“, hatte Lindt schon öfter gesagt, „würden wir uns auch so einen Vierbeiner anschaffen.“ Doch Kommissar-sein war meist kein Acht-Stunden-Job und auch Lindts Frau hatte nach der Kinderpause eine Möglichkeit gesucht, ihren erlernten Beruf als Verwaltungsfachangestellte wieder auszuüben. In einer Bürogemeinschaft von drei Rechtsanwältinnen fühlte sie sich als gute Seele und Mädchen für Alles sehr wohl und konnte die Kanzlei zudem mit dem Fahrrad in zehn Minuten bequem erreichen.
Der heutige Besuch des Staatsanwalts hatte überraschenderweise auch einen dienstlichen Hintergrund, sodass neue Geschichten von Conradis Hundedame dieses Mal nicht zur Sprache kamen.
„Gestern Abend gegen halb zwölf hat sich in der Karlstraße ein schwerer Verkehrsunfall ereignet“, begann Conradi. „Ein Fußgänger wurde auf dem Bürgersteig von einem PKW angefahren. Der Mann zog sich schwerste Kopfverletzungen zu. Er wurde mit dem Notarztwagen in die Neurochirurgie des Städtischen Klinikums eingeliefert und heute Nacht sofort operiert. Das allein wäre ja noch kein Grund, sich mit dem Fall zu befassen. Der Verkehrsdienst bearbeitet die Sache und es wird auch nach dem flüchtigen Unfallverursacher gefahndet.
Heute Morgen aber hat beim Revier Marktplatz eine Zeugin anonym angerufen und behauptet, der Mann sei gezielt und absichtlich überfahren worden.“
„Wie“, fragte Lindt erstaunt, „ein anonymer Anruf?“
„Ja, das Gespräch dauerte keine zehn Sekunden, dann wurde aufgelegt. Leider war die Nummer der Anruferin auf dem Display des Telefons nicht zu sehen.“
„Was hat sie denn genau gesagt?“
„Wörtlich weiß ich es zwar nicht, aber der diensthabende Beamte, der das Gespräch angenommen hat, gab mir den Inhalt ungefähr so wieder: ›Der Unfall in der Karlstraße, bei dem gestern Abend auf dem Gehsteig ein Mann angefahren wurde, sei kein Unfall gewesen, sondern ganz klare Absicht. Ein schwarzer BMW mit einem Mann am Steuer sei ganz plötzlich mit quietschenden Reifen von der Straße abgebogen und habe den Mann auf dem Gehweg gezielt angefahren.‹
Der angegebene Fahrzeugtyp deckt sich mit den Spuren am Unfallort. Ihre Kollegen vom Verkehrsdienst haben Kunststoffteile sichergestellt, die vom Kühlergrill eines Fünfer-BMW stammen.“
„Vielleicht hatte die Frau Angst, sie würde wegen unterlassener Hilfeleistung angezeigt und hat deshalb ihren Namen nicht genannt. Gibt es sonst noch Zeugen, irgendjemand, der in der Nähe war und etwas gesehen hat?“
„Leider nicht, Herr Lindt. Eigentlich erstaunlich, denn um diese Tageszeit sind in der Karlstraße gewöhnlich schon noch Passanten unterwegs.“
„Wer hat den Verletzten denn gefunden und den Notruf abgesetzt?“
„Das war eine
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