Bußestunde
Warum?«
»Er ist wichtig für sie. Ich weiß nicht genau, wie viel sie über seine illegalen Unternehmungen wissen, aber es sieht so aus, als müsste noch einiges geschehen, bevor sie eingreifen. Alles deutet darauf hin, dass seine Waffensysteme für ihre Schlagkraft hierzulande eine absolut zentrale Rolle spielen.«
»Und was tun wir dann hier?«, fragte Paul Hjelm.
Tore Michaelis lächelte vage und nickte vor sich hin. »Ist es sicher, dass du gut in Form bist?«, fragte er schließlich.
»Dafür, dass ich tot bin, definitiv.«
»Kein Jetlag in den Knochen?«
»Mach dir um mich keine Sorgen. Erzähl jetzt.«
»Wir haben einen Weg in eine Herzkammer von Naberius Enterprises Ltd. aufgetan. Es ist nur ein schmales Zeitfenster. Wir gehen rein, und wir gehen wieder raus. Wir haben eine Stunde. Danach kannst du zu den Lebenden zurückkehren.«
»Du hast noch immer nicht gesagt, was wir tun werden.«
»Es ist besser, wenn du es nicht genau weißt. Ich brauche deinen Blick so aufmerksam und unvoreingenommen wie möglich.«
»Meinen Blick – und meine Waffe?«
»Du wirst bewaffnet sein, aber es ist keine gewaltsame Operation. Es geht um klassische Spionage. Ein bisschen nervenaufreibend, vielleicht, aber ohne Gewalt.«
»Mein Initiationsritus in die Welt der Spione?«
Tore Michaelis kicherte. »Vielleicht, ja«, sagte er.
»Und ich soll mich einfach auf dich verlassen? So ohne Weiteres? Ist das wirklich ein Verhalten, das eines Spions in spe würdig ist?«
»Du hast das bereits zur Genüge getan, indem du vor all den Menschen, die dir nahestehen, tot spielst, obwohl du weißt, welches Leid du ihnen damit zufügst. Im Unterschied zu meinem Tod. Du hast zu viele Freunde, Paul, zu viel Familie und Anhang.«
»Das glaubst du doch selbst nicht. Du verfluchst jede Sekunde deines einsamen Lebens.«
Tore Michaelis ließ ein hastiges Lächeln erkennen. Es durchkreuzte den irakischen Himmel wie ein Blitz. Eine Millisekunde später war seine Miene wieder wie zuvor.
»Ja, Paul Hjelm, du sollst dich auf mich verlassen. Zum letzten Mal.« Tore Michaelis sah ihm fest in die Augen.
Er begegnete dem Blick. Er enthielt viel zu viel.
Viel zu viel für einen einzelnen Menschen.
Paul Hjelm nickte. »Und wann soll es losgehen?«, fragte er.
»Jetzt«, sagte Tore Michaelis. »Wir sind hier, um dich abzuholen.«
38
Sie standen in der Dunkelheit an einem Parkplatz. Er war leer. Die Leere leuchtete ihnen durch die Nacht entgegen. Aber das Licht wärmte nicht.
»Wir hätten direkt Leute auf den Wagen ansetzen sollen«, sagte Arto Söderstedt.
»Wir sind aufgrund völlig rationaler Überlegungen davon ausgegangen, dass der nicht registrierte graue Lieferwagen Joakim Bergsten gehören würde«, sagte Kerstin Holm.
»Das tut er aber nicht«, sagte Jorge Chavez. »Ich habe ihn nämlich schon früher gesehen. Auf einem Überwachungsfilm.«
»Was?«, riefen mehrere Personen unbestimmbarer Identität.
»Ich hätte darauf kommen sollen«, sagte Chavez. »Es war eines der Autos, von dem meine alte Geldautomatenbande das vordere Nummernschild abgeschraubt hat. Eins von drei Autos, bei denen der Verlust nicht gemeldet wurde. Und da gibt es gar nicht viel zu diskutieren. Der Wagen gehört unzweifelhaft einer Ulla Johansson in Midsommarkransen. Bäckvägen 95.«
Sie blickten zu dem Wohnhaus hoch. Nur sehr wenige Fenster waren erleuchtet.
»Aber es gab keine Möglichkeit, die Verbindung herzustellen«, sagte Jon Anderson. »Nicht die geringste.«
»Ich war kurz davor, verdammt«, sagte Chavez und ging auf das Haus zu, das völlig anonym in einer Reihe identischer Häuser stand. »Wenn der Name nur nicht so verflucht gewöhnlich wäre.«
Sie bewegten sich auf das Haus zu, diesmal nicht in einer so geschlossenen Gruppe wie beim letzten Mal.
Kerstin Holm wandte sich zu Lena Lindberg um und fragte sie: »Hat die Polizei in Väsby Kontakt zu den Frauen?«
»Niemand zu Hause, weder bei Matilda Broman noch bei Alice Nordin«, sagte Lena Lindberg und schüttelte den Kopf.
Kerstin Holm warf irritiert, beinahe aggressiv den Kopf nach hinten und ging durch die Haustür. Genau wie beim letzten Mal nahm sie im Treppenhaus zwei Stufen auf einmal. Sie kam an der Tür mit dem Namen »Bergsten« vorbei und stieg eine Etage höher. Auf der Tür schräg über der von Joakim Bergsten stand »Johansson«.
Daran war nichts Ungewöhnliches.
Die Frage war, was sie im Inneren vorfinden würden.
Als Kerstin Holm bei der Tür anlangte, standen Chavez
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