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Caruso singt nicht mehr

Titel: Caruso singt nicht mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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selten länger als drei Stunden von seinem Herrchen getrennt gewesen. Paul hatte das herzzerreißende Jammern noch im Ohr, denn auch diese kurze Frist war dem Veteranen schon zuviel gewesen. Seit gestern! Das Tier mußte halb wahnsinnig geworden sein.
    »Auf die Bundesstraße ist er gelaufen! Bei dem Verkehr!«
    Paul stöhnte auf. Die B27 war eine gefährliche Rennstrecke, jedenfalls aus der Perspektive eines Vierbeiners.
    »Erst in Pfaffenheim haben sie ihn eingefangen!«
    Bremer atmete auf. Immerhin hatte der betagte Weimaraner das Abenteuer überlebt.
    »Er ist verrückt geworden!« rief Marie. Der Hund oder der Mann? fragte sich Paul.
    »Er wollte ihn suchen!« Aha, der Hund.
    »Dreimal haben sie ihn eingefangen!« Paul wunderte sich über den Alten Fritz. Wozu es allen Grund gab. Nachdem ihn die Polizisten das erste Mal von der B27 geholt und eingesperrt hatten, war der Hund, ein Tier immerhin im besten Greisenalter, über eine zwei Meter hohe Gittertür gesprungen und geflohen. Zwar griff ihn eine Streife kurz vorm Marktplatz wieder auf. Und diesmal leinte man ihn im Zwinger an. Aber schon nach einer halben Stunde hatte der alte Jagdhund die Leine durchgebissen und sich aufs neue auf den Weg gemacht. Diesmal hatten sie ihn schon im Hof der Polizeidienststelle wieder eingefangen. Leider, dachte Paul.
    Man hatte den Halter schnell ermittelt und Marie angerufen. Jetzt war sie auf dem Weg nach Pfaffenheim. Mit dem Fahrrad hatte sie hinfahren wollen. Sieben Kilometer weit.
    »Bist du verrückt?« fragte Paul, liebevoll. Fast wäre sie wieder in Tränen ausgebrochen.
    »Komm, fahr nach Hause und beruhige dich. Ich mach das schon.«
    Bremer nahm ihr das Versprechen ab, daß sie gleich anrufen würde auf der Polizeiwache, um sein Kommen anzukündigen. Dann wendete er auf der schmalen Landstraße und gab Gas. Der Alte Fritz war ein wunderbares, ein prächtiges, ein tapferes, ein mutiges Tier. Soviel stand fest.
    Auf der Polizeiwache sah man ihn mißmutig an, bis er nachgewiesen hatte, daß er nicht der pflichtvergessene Halter des unbequemen Tieres war, sondern ein hilfsbereiter Nachbar.
    »Wer weiß, was das Vieh alles angestellt hat!« sagte ein junger Polizeiwachtmeister mit schmalem Schnauzbärtchen, der mit zwei Fingern eine betagte Schreibmaschine attackierte.
    »Der Alte Fritz? Nie!«
    »Sagen Sie nicht nie!« entgegnete der junge Mann, der Ziegler hieß, sofern das Namensschild irgend etwas zu bedeuten hatte, das auf dem Tresen stand, der die Wachstube vom Publikum trennte.
    »Erst vor drei Tagen haben zwei streunende Hunde bei Ottersbrunn vierzig Schafe gerissen und ein paar mehr so schwer verletzt, daß sie getötet werden mußten.«
    »Aber der Alte Fritz …«
    »Kostenpunkt: etwa 15000 Mark. Und der Halter bis heute nicht ermittelt!«
    Der junge Herr Ziegler guckte, wie Paul fand, unangebracht vorwurfsvoll.
    »Der Alte Fritz …«
    »Was meinen Sie, was streunende Hunde für einen Schaden anrichten können! Kürzlich bei Haslingen …«
    Ein Reh sei zu Tode gehetzt worden von einem Hund, Halter ebenfalls unbekannt. Bremers immer schwächer werdende Einwände wurden mit erhobener Polizistenhand weggewischt. Herr Ziegler mußte erst noch die Geschichte von der Gänseherde loswerden – zwölf gekillt, einundzwanzig verletzt. Vom Hühnerstallbesitzer, der einen Fuchs im Verdacht hatte – dabei war es der eigene Hund, der sich mit dem Hetzen kreischender Legehennen ein bißchen Bewegung und Abwechslung verschafft hatte. Von reihenweise wildgewordenen Tölen war zu berichten und von zahllosen verantwortungslosen Haltern. Wahrscheinlich, dachte Paul, war der junge Mann ein fanatischer Katzenliebhaber.
    Endlich hatte der Polizist sein Repertoire erschöpft und die bürokratischen Zeremonien erledigt. Er erlaubte Bremer gnädig, durch die Wachstube zu gehen, durch die Hintertür in den Hof, in dem ihn ein verzweifeltes Heulen empfing. Man hatte den Weimaraner diesmal angekettet, Flucht war nicht mehr möglich, und Fritz legte die ganze Hundeseele in seine herzzerreißenden Schreie. Paul war ganz elend zumute.
    Der Alte Fritz ließ sich auch durch Paul in seinem Schmerz nicht unterbrechen. Fast zehn Minuten redete Bremer auf das Tier ein, bis der Hund die rollenden Augen endlich auf den Mann richtete, der da draußen vor dem Zwinger stand, beruhigende Laute machte und die Hand ausstreckte. Als Fritz seinen alten Bekannten erkannte, ging sein Klagen in Winseln über. Paul öffnete den Zwinger, befreite das Tier von

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