Charons Klaue
erwiderte der Zauberspinner. »Sie weiß, dass ich mit Tiago Baenre verbündet bin. Und die Macht des Hauses Baenre ist ihr bewusst.«
Jearths Auflachen verletzte Ravels Stolz.
»Ihr zweifelt …?«, begann er.
»Manchmal bezweifle ich, dass Ihr die Spielregeln versteht«, sagte Jearth. »Tiago ist Euer Verbündeter, weil er glaubt, Ihr stündet in der Gunst von Oberin Zeerith, wenn auch nicht in der von Berellip oder Saribel.«
Bei dieser offenkundigen Wahrheit blähte Ravel sich auf.
»Daraus solltet Ihr allerdings keinesfalls schließen, dass Oberin Zeerith Euch einer der Frauen oder einer Eurer Schwestern vorzieht. Solche Trugschlüsse habe ich in Menzoberranzan schon oft erlebt.«
»Aber Ihr sagtet doch …«
»Oberin Zeerith stachelt ihre Töchter an, indem sie Euch begünstigt«, erklärte Jearth. »Sie sind älter und erinnern sich sehr gut an die ruhmreichen Zeiten von Brack’thal und den Glanz, der dadurch auf Haus Xorlarrin fiel. Die meisten seiner Gefolgsleute sind bei der Zauberpest umgekommen, das stimmt, aber wenn Ihr nicht vorsichtig seid und Berellip – besonders ihr! – damit den nötigen Zündstoff verschafft, Oberin Zeerith nachhaltig auf Brack’thals Wert hinzuweisen, werdet Ihr bald erkennen, wie flüchtig die Treue der Euren ist.«
»Das hier ist meine Expedition, und bisher war sie über alle Maßen erfolgreich«, erwiderte Ravel. »Wir haben die Schmiede in Gang gesetzt. Wir haben den Urelementar bezähmt. Das hat seit den Tagen von Gauntlgrym niemand vermocht!«
»Zu Ehren von Oberin Zeerith und für die Zukunft von Haus Xorlarrin«, erinnerte ihn Jearth. »Nicht zu Ehren und für die Zukunft von Ravel Xorlarrin. Wenn Brack’thal sich als der bessere Trumpf erweist, wird Eure Schwester ihn mit dem Segen Eurer Mutter ausspielen und Ravel gnadenlos verwerfen. Daran besteht kein Zweifel.«
»Meinetwegen kann Gol’fanin die alten Anleitungen umsetzen für Waffen, die lange einem vergessenen Zeitalter zugeordnet wurden.«
»Und Brack’thal sorgt dafür, dass er diese Arbeit fortsetzen kann«, hielt Jearth dagegen. »Was davon ist wohl wichtiger für die, die Euch ungerührt fallen lassen würden? Eure Initiative zu Beginn oder die aktuellen Handlungen, die den Traum von Haus Xorlarrin voranbringen?«
Ravel leckte sich die Lippen und trat verunsichert von einem Fuß auf den anderen. »Tiago Baenre hat mich zum Verbündeten erwählt und sichert durch mich die Interessen von Haus Baenre.«
»Ihr seid für Tiago Baenre also wichtiger als die Waffen, die Gol’fanin gerade für ihn schmiedet?«, fragte Jearth, dessen wissendes Grinsen den Sarkasmus in dieser rhetorischen Frage verriet.
»Er hat sich bereits den dauerhaften Zorn von Berellip eingehandelt«, antwortete Ravel.
»Und gleichzeitig paart er sich mit ihr, und sie ist oft dazu bereit«, sagte der Waffenmeister. »Stellt Euch mal vor, sie bekäme von Tiago einen dicken Bauch.«
Dieser Gedanke traf Ravel so unvermittelt, dass ein leichter Stoß aus einem Blasebalg ihn zu Boden hätte gehen lassen. Am liebsten wäre er Jearth wütend an die Kehle gegangen.
Aber er beruhigte sich, denn eigentlich hatte Jearth ihm einen großen Dienst erwiesen, indem er ihn klugerweise offen an die wahre Natur der Seinen erinnert hatte.
»Abbil«, sagte er. Das war das Drow-Wort für Freund, wobei Freundschaft in dieser Kultur normalerweise kaum mehr bedeutete als die Bestätigung eines vorübergehenden Bündnisses, wie Jearth ihm in Bezug auf Tiago gerade noch einmal klargemacht hatte.
»Wir brauchen einen Plan«, sagte Jearth leise.
»Brack’thal wird mit jedem Ausbruch in der Schmiede mächtiger, mit jedem Auftauchen neuer Feuerelementare«, stimmte Ravel zu. »Ich kann nicht bestreiten, wie gut er mit diesen Kreaturen fertig wird.«
»Das ist eine lange vergessene Kunst, die wie Gol’fanins Rezepte jetzt zu neuem Glanz erblüht.«
»Und was erblüht dabei noch zu neuem Glanz?« Damit spielte Ravel auf den einstigen Status seines Bruders im Clan Xorlarrin an.
Bis sie an der Spitze von Ravels treuen Zauberspinnern in der Schmiede eintrafen, stand dort bereits ein gewaltiges Ungeheuer aus lebendem Feuer hinten am Hauptofen. Es wirkte aufgeregt und hatte seine armähnlichen Auswüchse weit ausgebreitet, als wolle es jemanden oder etwas damit umschließen. Immer wieder tauchten Feuerfinger daraus auf, die kleine Flammen nach beiden Seiten stießen.
Doch die Drow in der Nähe des Wesens zeigten, was sich hier abspielte. Sie liefen
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