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Christmasland (German Edition)

Christmasland (German Edition)

Titel: Christmasland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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dann, bevor sie auf die Frage antworten konnte, sagte er: »Was singst du denn da?«
    Erst da wurde ihr klar, dass sie das Lied leise vor sich hin geflüstert hatte. So klang es viel besser als damals in der Klapse, wo sie es laut hinausgeschrien hatte.
    V ic setzte sich auf und rieb sich über das Gesicht. »Ich weiß nicht. Nichts.«
    Wayne betrachtete sie zweifelnd.
    Er kam auf den Steg gestapft, gefolgt von Hooper, der wie ein zahmer Bär hinter ihm hertrottete. Mit beiden Händen trug Wayne einen großen gelben Werkzeugkasten. Auf halbem Weg glitt er ihm jedoch aus der Hand und landete polternd auf dem Steg.
    »Ich habe den Angelkasten geholt«, sagte Wayne.
    »Das ist nicht der Angelkasten.«
    »Du hast gesagt, ich soll nach einem braunen Kasten suchen.«
    »Der hier ist gelb.«
    »An manchen Stellen ist er braun.«
    »Das sind Rostflecken.«
    »Ja und? Rost ist braun.«
    Er öffnete den Werkzeugkasten und betrachtete mit gerunzelter Stirn den Inhalt.
    »Die sind leicht zu verwechseln«, sagte V ic.
    »Sicher, dass man das nicht zum Angeln nehmen kann?«, fragte er und holte ein merkwürdiges Werkzeug heraus. Es erinnerte an die Klinge einer stumpfen Miniatursense, klein genug, um in Waynes Handfläche zu passen. »Sieht jedenfalls aus wie ein Angelhaken.«
    V ic wusste, was das war, obwohl sie so etwas schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Dann fiel ihr wieder ein, was Wayne gesagt hatte, als er auf den Bootssteg gekommen war.
    »Zeig den Kasten mal her«, sagte V ic.
    Sie drehte ihn herum, und ihr Blick fiel auf eine Reihe flacher, verrosteter Schraubenschlüssel, einen Luftdruckmesser und einen alten Zündschlüssel mit rechteckigem Kopf, in den das Wort TRIUMPH eingestanzt war.
    »Wo hast du den Kasten gefunden?«
    »Er stand auf dem Sitz des alten Motorrads. Gehört die Maschine zum Haus?«
    »Lass mich mal sehen«, sagte V ic.

Die Remise
    V ic hatte die Remise nur einmal betreten, damals, als sie das Haus besichtigt hatte. Ihrer Mutter hatte sie erzählt, dass sie sie ausräumen und als Atelier benutzen wollte. Bislang hatten ihre Stifte und Farben jedoch den Schlafzimmerschrank nicht verlassen, und in der Remise sah es immer noch genauso chaotisch aus wie am Tag ihrer Ankunft.
    Der Raum war lang und schmal und voller Gerümpel. Es gab ein paar Boxen, in denen früher Pferde gestanden hatten. V ic liebte den Geruch nach Benzin, Schmutz, altem, trockenem Heu und Holz, das schon seit achtzig Sommern hier lagerte.
    Wäre V ic in Waynes Alter gewesen, hätte sie sich zwischen den Dachsparren – inmitten der Tauben und Flughörnchen – ein V ersteck eingerichtet. Das schien jedoch nicht Waynes Ding zu sein. Direkten Kontakt zur Natur vermied er. Lieber schoss er Fotos davon mit seinem iPhone und tippte dann über den Bildschirm gebeugt darauf herum. Am meisten gefiel ihm an dem Seehäuschen, dass es hier WLAN gab.
    Nicht dass er ein Stubenhocker gewesen wäre. Aber er beschäftigte sich eben gern mit seinem Handy. Es war seine Brücke, sein Fluchtweg aus einer Welt, in der seine Mutter eine verrückte Alkoholikerin und sein V ater ein hundertfünfzig Kilo schwerer Automechaniker war, der die Highschool abgebrochen hatte und im Iron-Man-Kostüm auf Comic-Conventions ging.
    Das Motorrad befand sich im hinteren Teil der Remise. Eine farbfleckige Plane war darübergeworfen, aber die Umrisse waren trotzdem deutlich erkennbar. V ic entdeckte es schon von der Tür aus und fragte sich, wie sie es beim letzten Mal hatte übersehen können.
    Ihre V erwunderung hielt sich jedoch in Grenzen. Kaum jemand wusste besser als sie, wie leicht ein bedeutsamer Gegenstand inmitten von visuellem Chaos untergehen konnte. Der gesamte Raum sah aus wie eine Szene aus einem der Search-Engine -Bücher. Finde einen Weg durch das Labyrinth aus Gerümpel – ohne über eine der Drahtfallen zu stolpern – und entkomme mit dem Motorrad! Keine schlechte Idee, sollte sie sich merken. In ihrer gegenwärtigen Situation musste sie für jeden Einfall dankbar sein. Aber damit war sie wohl nicht allein auf der Welt.
    Wayne ergriff eine Ecke der Plane und sie die andere, und zusammen schlugen sie sie zurück.
    Das Motorrad war mit einer dicken Schicht aus Schmutz und Sägespänen überzogen. Der Lenker und die Anzeigen waren voller Spinnweben. Das V orderlicht hing lose an den Drähten aus der Fassung herab. Der tränenförmige Benzintank war preiselbeerfarben und silbern unter dem Staub und trug den chromfarbenen Schriftzug Triumph.
    Es sah

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