Clarissa
waren, und bewegten sich schlängelnd zu einer eigenartigen Musik. Nach einem anfänglichen Schock sah Clarissa zu ihrem Mann hoch und bemerkte, daß er völlig der Betrachtung dieser Frauen hingegeben war, als gäbe es nichts Wichtigeres auf dieser Welt. Und dabei hatte sie noch vor wenigen Sekunden geglaubt, Raine stünde den Engeln des Herrn so nahe!
Mit einem entrüsteten Aufschrei, den Raine nicht einmal hörte, begann Clarissa rückwärtsgehend sich wieder aus der Zuschauermenge zu entfernen und die Männer ihren leidenschaftlichen Betrachtungen zu überlassen.
»Mylady«, sagte jemand neben ihr, »laßt mich Euch aus diesem Gedränge führen. Ihr seid so zierlich, daß ich für Eure Sicherheit fürchte. «
Sie sah hinauf in die dunklen Augen eines sehr gut aussehenden Mannes. Er hatte blonde, von der Sonne gebleichte Haare, eine Adlernase und einen festen Mund. Da war eine gekrümmte Narbe über seinem Auge und tiefe Schatten unter seinen Lidern. »Ich bin nicht sicher… «, begann sie. »Mein Mann… «
»Laßt mich Euch vorstellen. Ich bin der Graf von Bayham, und die Familie Eures Mannes ist mit meiner Familie gut bekannt. Ich bin einen langen Weg gereist, um mit Gavin zu sprechen; aber als ich den Jahrmarkt erblickte, hoffte ich, einen von der Familie hier anzutreffen. «
Ein untersetzter Mann, der ein bißchen zu tief ins Glas geschaut haben mußte, torkelte auf sie zu, und der Graf streckte die Hand aus, um Clarissa zu schützen.
»Ich fühle mich verpflichtet, Euch vor diesem Mob zu beschützen. Gestattet, daß ich Euch von hier wegführe. «
Sie nahm den Arm, den er ihr anbot. Da war etwas an ihm, das zugleich traurig und liebenswürdig auf sie wirkte, und sie vertraute ihm instinktiv.
»Habt Ihr von meiner Heirat gehört? « fragte sie. »Sie fand erst vor ein paar Tagen statt, und ich stamme nicht aus den gleichen Kreisen, zu denen mein Mann gehört. «
»Ich habe ein besonderes Interesse an allem, was die Familie Montgomery tut. «
Er führte sie weg vom Lärm des Jahrmarkts zu einer Bank, die am Rande eines kleinen Wäldchens stand. »Ihr müßt sehr müde sein, weil Ihr Euch seit Stunden nicht mehr gesetzt habt. Und das Kind muß eine schwere Last für Euch sein. «
Dankbar setzte sie sich, legte die Hände auf ihren Leib und sah zu ihm hoch. »Ihr müßt uns in der Tat sehr genau beobachtet haben. Worüber wollt Ihr nun mit mir sprechen, was mein Mann nicht hören darf? «
Bei dieser Bemerkung lächelte der Graf ein wenig. »Die Montgomerys haben eine glückliche Hand in der Wahl ihrer Frauen, was deren Verstand und deren Schönheit betrifft. Vielleicht sollte ich mich mit meinem wirklichen Namen vorstellen. Ich bin Roger Chatworth. «
Kapitel 17
Clarissa, die sich so wohl gefühlt hatte, weil sie glaubte, daß dieser Mann sich ihrer bedienen wollte, damit sie Einfluß auf ihren Mann nähme, wurde plötzlich sehr ängstlich. Die Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben, als sie sich schwerfällig erheben wollte.
»Bitte«, sagte er sanft, »ich habe nichts Böses mit Euch vor. Ich wollte nur kurz mit Euch reden. « Er saß am Ende der Bank, die Beine von ihr weggestreckt, den Kopf gesenkt, die Hände gefaltet. »Geht. Ich werde Euch nicht zurückhalten. «
Clarissa war schon an ihm vorbei, als sie wieder umkehrte. »Wenn mein Mann Euch sieht, wird er Euch töten. «
Roger antwortete nicht, und Clarissa kehrte mit gerunzelter Stirn, sich im stillen eine Närrin scheltend, zur Bank zurück. »Warum habt Ihr es gewagt, hierherzukommen? « fragte sie, »Ich würde alles wagen, um meine Schwester zu finden. «
»Fiona? «
Vielleicht war es die Art, wie sie diesen Namen aussprach, daß Rogers Kopf in die Höhe ruckte. »Ihr kennt sie? Was wißt Ihr von ihr? « Seine Hände ballten sich zu Fäusten.
»Pagnell, der Sohn des Grafen von Waldenham… «
»Ich kenne diesen Auswurf von Schleim. «
Rasch erzählte Clarissa ihm die Geschichte, wie Fiona ihr geholfen hatte und wie Pagnell Fiona dafür bestrafte.
»Miles! « sagte Roger und stand auf. Er war kostbar gekleidet in dunkelblauem Samt und mit einer Brokatweste aus Satin. Seine langen, muskulösen Beine waren mit einer engsitzenden dunklen Strumpfhose bekleidet. So hatte sie sich einen Todfeind der Familie nicht vorgestellt.
»Und was hat Miles mit meiner unschuldigen Schwester angestellt? « begehrte Roger mit flammenden Augen zu wissen.
»Nicht das, was Ihr Lady Mary angetan habt«, gab Clarissa heftig zurück.
»Der Tod
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