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Claudius Bombarnac

Claudius Bombarnac

Titel: Claudius Bombarnac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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seine Arbeiten begann, mußte er Wasser aus dem Caspisee destilliren lassen, wie man das an Bord der Oceandampfer mit dazu vorgesehenen Apparaten zu thun pflegt. Wenn es aber des Wassers bedarf, um Dampf erzeugen zu können, so bedarf es auch noch der Kohle, um das Wasser zu verdampfen. Die Leser des »XX. Jahrhundert« werden sich wahrscheinlich fragen, wie es gelingt, die Maschinen in einem Lande zu heizen, wo es kein Stückchen Kohle zu schürfen, keinen Baumstamm zu fällen gibt. Man dürfte da annehmen, daß an den Hauptstationen der Transcaspischen Bahn große Vorräthe solcher Brennmaterialien aufgehäuft wären; doch auch das ist nicht der Fall. Man begnügt sich hier, einen Gedanken zu verwirklichen, den der große Chemiker Sainte-Claire Deville zur Zeit, wo man in Frankreich das Petroleum zu verwenden begann, bereits ausgesprochen hat.
    Die Feuerkasten der Maschinen werden nämlich mit Hilfe eines Pulverisationsapparates mit den Rückständen gespeist, die die Reinigung der Naphta in Baku und Derbent in unerschöpflicher Menge liefert. An gewissen Punkten der Linie finden sich große Sammelbecken, die mit dem mineralischen Brennmaterial angefüllt sind, das man in die Tenderwandkasten entleert und das auf besonderen Rosten der Feuerbüchsen verbrannt wird. Es ist das dieselbe Naphta, die an Bord der Dampfer auf der Wolga und deren Zuflüssen Verwendung findet.
    Daß die Landschaft hier keine reizvolle Abwechslung bietet, wird man mir ohne Versicherung glauben. Der in den sandigen Gegenden ziemlich flache Erdboden wird in den Alluvialgegenden, in denen ein salziges Wasser stagnirt, völlig horizontal. Dafür eignet er sich ganz besonders zur Anlage eines Schienenstranges. Hier gibt es keine Einschnitte, keine Viaducte, überhaupt keine »Kunstbauten«, um mich des Ausdrucks zu bedienen, der den Ingenieuren theuer ist und die auch meist selbst sehr »theuer« werden. Nur da und dort begegnet man manchmal einer zwei-bis dreihundert Schritte langen Holzbrücke. Unter solchen Verhältnissen ist es kein Wunder, daß die kilometrischen Kosten der Transcaspischen Bahn zweiundvierzigtausend Mark nicht übersteigen.
    Die Einförmigkeit der Reise verspricht nur durch die großen Oasen von Merv, von Bukhara und von Samarkand unterbrochen zu werden.
    Beschäftigen wir uns also mit den Passagieren, und das ist um so leichter, als man ja so bequem von einem Zugende zum andern gelangen kann. Mit einiger Einbildung könnte man sich in eine Art rollender Ortschaft versetzt glauben, deren Hauptstraße ich zu durchwandern im Begriffe wäre.
    Ich erinnere mich nämlich daran, daß auf die Locomotive nebst Tender der Packwagen folgt, in dessen einer Ecke der geheimnißvolle Kasten steht, und daß das Dienstcoupé Popof’s die linke Seite der Plattform des ersten Waggons einnimmt.
    Im Innern dieses Waggons bemerke ich verschiedene Sarthen von stolzem Aussehen, in der lebhaft gefärbten Landestracht, langen Röcken, unter denen die mit Schnüren besetzten Stiefeln hervorlugen. Sie haben schöne Augen, einen prächtigen Bart, gebogene Nasen, und man würde sie überhaupt für große Herrn halten, wüßte man nicht, daß das Wort »Sarthe« nur »Krämer, Trödler« bedeutet, und die Leute hier begeben sich gewiß nach Taschkend, wo es von solchen Trödlern wimmelt.
    In demselben Waggon haben auch die beiden Chinesen Platz genommen und sitzen hier einander gegenüber. Der jüngere Sohn des Himmels blickt durch das Fenster hinaus. Der alte Zopfträger – ein Ta-lao-ye, das heißt ein bejahrter Mann – quält sich unablässig mit den Blättern seines Buches ab. Dieser Band in 32°, ähnlich einem Jahrbuch des »Längenbureaux«, ist mit plüschartigem Tuch, wie das Breviarium eines Chorherrn, überzogen und wird, wenn geschlossen, von einem Kautschukbande zusammengehalten. In Verwunderung setzt mich nur, daß der Besitzer genannten Schmökers nicht von rechts nach links zu lesen scheint. Sollte dasselbe nicht in chinesischer Schrift gedruckt sein? … Das werd’ ich noch festzustellen haben.
    Auf zwei benachbarten Plätzen sitzen Fulk Ephrjuell und Miß Horatia Bluett. Sie plaudern, während Beide unablässig Ziffern niederschreiben. Ich weiß nicht, ob der praktische Amerikaner der praktischen Engländerin nicht den herrlichen Vers ins Ohr flüstert, der das Herz Lydias schneller schlagen machte:
    Nec tecum possum vivere sine te!
     
    Das Eine weiß ich dagegen bestimmt, daß Fulk Ephrjuell sehr wohl ohne mich leben kann. Ich bin

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