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Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Titel: Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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der Masse durchgeben.
    »Der Lieferwagen steht seit einer Stunde da«, empfängt er uns und weist mit knochigem Finger auf die Räuberhöhle.
    Ich taste mit dem Fernglas den Innenhof ab.
    »Und wer wohnt da?«
    »Der Besitzer ist letzten September ausgezogen. Einer seiner Söhne ist zur Zeit bei der Armee. Heute ist zum ersten Mal jemand da.«
    »Vielleicht der Besitzer«, mutmaßt Lino.
    »Der Wagen wurde um 16 Uhr von einem bewaffneten Mann auf der Küstenstraße gestohlen«, entgegnet der Patriot. »Ich habe das im Radio gehört.«
    Die Nacht legt sich immer dichter auf das Bruchbudenviertel. In Versteck »H« sind keine Lichter angegangen. Die Geräusche werden seltener, die Gassen immer leerer. Ein Fuhrmann quält sein Maultier die Wagenspur entlang. Seine Flüche gehen unter im Ruf des Muezzins. Wir überwachen zwei Stunden lang die Umgebung. Kein Lebenszeichen im Innenhof. Wir beschließen nachzusehen, was da los ist.
    Ewegh läuft zur Rückseite der Baracken. Lino und ich klettern über eine Leichtbetonmauer, um nicht durch den Innenhof zu müssen. Im Haus herrscht Grabesstille.
    Ich versuche mich an der Türklinke. Ihr Quietschen zwingt mich zum Rückzug. Wir entdecken ein Fenster mit eingeschlagener Scheibe. Lino ist als erster drin. Ich folge ihm in ein enges, kahles Zimmer. Wir drücken uns rauhe Korridorwände entlang, gelangen in ein anderes Zimmer. Plötzlich geht das Deckenlicht an und wir stoßen auf ein riesenhaftes, leichenblasses, grauenvolles Geschöpf. Es liegt mit nacktem Oberkörper auf einer verrotteten Matratze, eine Hand auf der blutenden Flanke, in der anderen Hand eine Fernbedienung. Das Blut hat den Hosenbund überschwemmt, ist durch die Matratze gesickert und hat den Boden befleckt.
    »Willkommen an Bord, Kommissar Llob!« ruft er mir mit geschwächter, aber fester Stimme entgegen.
    Meine Hämorrhoiden platzen schlagartig auf wie eine Garbe Kaktusfeigen. Ich brauche mich nicht umzudrehen, um zu erraten, daß Lino sich gleich in die Hose machen wird.
    Gai’d der Friseur lächelt uns zu von jenseits des Grabes.
    »Diese Fernbedienung, die ich hier habe, die ist nicht für den Fernseher.«
    »Das haben wir geschnallt.«
    Er röchelt und reckt den Hals. Seine Hand fährt schmerzvoll über seine verwundete Flanke. Ich mache einen Schritt nach vorn.
    »Zurück!« fährt er mich an. »Da sind drei Kilo TNT unter deinem Body. Ein Daumendruck auf dieses Ding, und dein lieber Gott höchstpersönlich würde das Puzzle nicht mehr zusammenkriegen.«
    Ich weiche zurück.
    Das Reden hat ihn angestrengt. Er blickt mich haßerfüllt an. Der Schmerz reitet die nächste Attacke gegen ihn. Er krümmt sich um seine Wunde herum, ohne uns aus dem Blick zu lassen.
    »Wie viele Liter Blut hat der menschliche Körper, Kommissar?«
    »Hängt davon ab, wieviel einem an den Händen klebt.«
    Seine Brauen ziehen sich zusammen. Ein Schauer zuckt ihm durch Kiefer und Wangenknochen.
    »Unglaublich. Ich pisse seit mehr als sechs Stunden Blut und schaffe es nicht, in Ohnmacht zu fallen.«
    »Dazu reicht eben deine Macht nicht. Wir bringen dich ins nächste Krankenhaus.«
    »Nett von Ihnen, Kommissar, aber ich trau Ihnen nicht.«
    Seine Finger krümmen sich. Er windet sich, die Fernbedienung macht sich selbständig und knallt auf die Fliesen. Eine Schicht Glatteis kristallisiert auf meinem Rücken. Ich höre, wie Lino vor Panik ins Stolpern gerät. Sein Atem bläst mir in den Nacken. Ich begreife endlich, was es heißt, wenn man sagt: »jemandem auf den Leim gehen«.
    »Paß auf, mein Junge, diese Art von Spielzeug ist unberechenbar.«
    Gai’d lacht höhnisch. Seine Finger tätscheln das Werkzeug des Todes, heben es wieder auf.
    »Mir gefällt dein Humor, Kommissar. Wird bestimmt vergnüglich mit dir, die große Reise!«
    »Leg das Ding da beiseite und laß uns reden. Der Krankenwagen steht bereit. Du wirst genauso verarztet wie jeder andere Verletzte auch.«
    »Ich habe schon einen Platz im Paradies reserviert.«
    »Mensch, mach keinen Quatsch!« kreischt Lino völlig aufgelöst. »Denk an die Ärmsten, die gleich nebenan hausen. Du jagst doch das ganze Viertel in die Luft.«
    »Bei dem Hundeleben, das die hier führen, erweise ich denen einen unbezahlbaren Dienst.«
    Sein Daumen streichelt furchterregend die Fernbedienung.
    Wie im Wahn, mit ausgedörrter Kehle und flacher Brust, flehe ich ihn an: »Warte doch, warte. Tu das nicht, das bringt doch nichts …«
    »Alle Mann einsteigen!«
    Eine gigantische Detonation …

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