Con molto sentimento (German Edition)
bescherten ihm weiche Knie. So etwas nannte man dann wohl ›psychosomatisch‹.
Was ihn ein bisschen schreckte, war die Tatsache, dass er doch glatt enttäuscht war, dass Jean ihn nicht geküsst hatte.
Sollte er heimgehen?, fragte sich Patrice, als er den Gehsteig entlangging, beinahe sogar wankte. Aber was sollte er dort? Diese Enge würde er nicht ertragen. Er wollte auch gar niemanden sehen oder sprechen oder überhaupt... Was sollte er auch sagen, wenn Luc heimkam und allen erzählte, was er im Schwimmbad gesehen hatte. Vielleicht konnte Patrice sich zu Hause herauswinden. Luc musste ja bemerkt haben, dass Jean damit begonnen hatte und zur Not konnte er die Schuld auf seinen Schulkamerad schieben.
Aber allein dieser Gedanke. Wieder war es so feige von ihm. Er sollte dazu stehen, oder etwa nicht? Ein richtiger Mann würde doch dazu stehen.
»Hey, Patrice!« So viel zum Thema mit niemandem reden zu wollen. Patrice war an dem Supermarkt in ihrem Viertel vorbeigekommen und just in diesem Moment kam Claude aus dem Laden, vollgepackt mit zwei Stofftüten, die mit dem pinken Schriftzug queer queen bedruckt waren. Musste er es allen unter die Nase reiben, dass er schwul war? Unter den anderen Arm hatte sich Claude einen Karton mit Dosen- und Tütensuppen geklemmt. Anscheinend gab es ihm Haushalt Debière öfters mal Junkfood. Obwohl Claude sich in den letzten Tagen bewusst gesund hatte ernähren wollen. Doch nachdem es ihm jetzt wieder besser ging, war Claude wohl auch Junkfood ganz recht. Seine Stirn zierte lediglich noch ein kleines Pflaster, die Fäden waren heute Morgen gezogen worden wie Patrice wusste.
»Alles okay mit dir?« Diese Frage, sie war so voller Mitgefühl. Das hatte Patrice nun wahrlich nicht verdient. Er war nahe daran in Tränen auszubrechen. Ausgerechnet Claude fragte ihn, ob mit ihm alles in Ordnung sei.
»Warst du im Freibad?« Der Musiker deutete auf Patrices Rucksack aus dem noch die Strandmatte herausragte. Patrice nickte nur und Claude runzelte die Stirn, stützte sich den Karton so in die Hüften, dass er eine Hand frei hatte. Damit befühlte er Patrices Stirn, der zuckte glatt zurück.
»Hast du einen Sonnenstich?«
»Ich...« Patrice krächzte, räusperte sich und brachte doch kein Wort heraus.
»Komm mit.« Claude zog ihn mit sanftem Nachdruck hinter sich her. »Ist bei euch jemand zu Hause?«, wollte der Musiker dann wissen, als sie ihr Haus erreicht und in die angenehme Kühle des Treppenhauses gelangt waren.
»Ich denk nicht«, murmelte Patrice und dachte an Jean. Hatte der auch das Freibad verlassen? Wie sollte er dem Jungen jemals wieder unter die Augen treten? Und würde Luc seinen Klassenkamerad jetzt dumm anmachen? Hoffentlich geschah Jean nichts. Er sollte ihm vielleicht eine SMS schreiben und fragen, ob alles in Ordnung war.
Aber ausgerechnet Luc, warum musste der heute auch im Freibad sein?
Mechanisch schlurfte Patrice die Stufen im Treppenhaus nach oben. Claude ging direkt vor ihm und wäre er in einer einigermaßen normalen Verfassung gewesen, hätte er sich vielleicht an dem Anblick von Claudes Hintern in den Bermudas ergötzt. Jetzt wo er ja anscheinend auf so etwas stand.
Claude schloss die Tür zu seiner Wohnung auf und setzte die Tüten ab. Patrice indes wollte weitergehen, doch da hielt ihn Claude an seinem Rucksack fest.
»Komm mit rein.«
Patrice war so verblüfft, dass er nicht dagegen protestierte. Claude nahm ihm den Rucksack ab und führte ihn zur Couch. Dann rumorte er irgendetwas in der kleinen Küche herum.
Patrice saß nur da und wusste nicht so recht, was er von der Situation halten sollte.
»Bringt man euch in der Schule nicht bei, dass man bei diesen Temperaturen ausreichend trinken und nicht in der prallen Sonne sitzen soll?«, dozierte Claude und stellte zunächst einmal ein Glas Wasser vor ihm auf den Tisch.
›Ach so. Er meint, dass ich einen Hitzschlag habe.‹ Patrice war viel zu geschafft, als ob er das Missverständnis aufklären wollte. Aber nein, das war genau das gleiche Verhalten wie damals mit der Schlägerei.
Claude war wieder in der Küche verschwunden, kam dann jedoch mit einigen Eiswürfeln zurück, die er geschickt in ein Handtuch wickelte und Patrice gegen die Stirn drückte.
Die Kühle war angenehm und Patrice war, als ob sie auch seine Gedanken zur Ruhe kommen ließ. Er saß still da, presste das Handtuch gegen seinen Kopf und beobachtete
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