Confusion
Majestät«, sagte Eliza, »ich trauere um le duc. Ich vertraue darauf, dass er seinen gerechten Lohn empfängt. Ich bete darum, dass L’Emmerdeur das bekommt, was er für seine Tat verdient. Aber ich kann und werde dem sogenannten König der Landstreicher nicht die zusätzliche Befriedigung verschaffen, die friedliche Führung von Euer Majestät Haushalt, das heißt La France, zu stören, und deshalb bitte ich Euch ungeachtet meines Entsetzenes und meiner Trauer in diesem Augenblick um Eure Erlaubnis, den Heiratsantrag annehmen zu dürfen, der mir früher an diesem Abend von Étienne de Lavardac – nun Duc d’Arcachon – gemacht wurde.«
»Dann heiratet ihn mit allen Segnungen, die ein König spenden kann«, antwortete der König.
Und in diesem Augenblick wurde Eliza von einem höchst unerwartet aufbrandenden Geräusch überall um sie herum überrascht. Unter anderen Umständen hätte sie es sofort erkannt. Doch hier, angesichts all dessen, was geschehen war, musste sie einen Blick in die Runde werfen und sich mit eigenen Augen überzeugen: Die Gäste applaudierten. Es war selbstverständlich keine ungestüme Ovation. Die Hälfte weinte ungehemmt. Von den Damen waren viele aus dem Saal geflüchtet. Madame la Duchesse d’Arcachon wurde besinnungslos hinausgetragen, und Elizas ahnungsloser Verlobter blieb nur im Saal, weil irgendwer Madame la Marquise de Maintenon begrüßen musste. Doch trotz alledem brachen die verbliebenen Gäste in spontanes Beifallklatschen aus. Nicht, dass sie den Kopf des Herzogs vergessen hätten – das war unwahrscheinlich -, doch die Art, wie die Schreckensund Horrorszene geschickt umgekehrt worden war, hatte etwas Bewegendes für sie gehabt. Der Applaus war eine Trotzreaktion. Eliza, die das verspätet begriff, quittierte es mit einem schüchternen Knicks. Gleich darauf glitt Étienne an ihre Seite – irgendwer hatte ihm alles erklärt – und ergriff ihre Hand, worauf der Applaus erneut aufbrandete, doch nur für einen Moment. Dann erstarb er jäh, und an seine Stelle trat eher passendes Schluchzen, Klagen und Beten. Eliza wurde einen Moment lang vom flüchtigen Anblick eines Reiters draußen im Hof abgelenkt, der mit viel Schwung sein Pferd herumriss und nach Paris hinausgaloppierte. Es war der Earl von Upnor.
Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem König zu, der gerade sagte: »Pater Édouard. Wir sind hier zu einer kleinen Feier zusammengekommen. Doch die einzige Feier, die sich an einem solchen Abend schickt, ist die der Messe.«
»Natürlich, Sire.«
»Wir werden eine Totenmesse für Monsieur le Duc d’Arcachon halten. Und im Anschluss daran die Hochzeit des neuen Duc mit Mademoiselle la Comtesse de la Zeur.«
»Jawohl, Sire«, sagte de Gex. »Mit Verlaub, Eure Majestät, die Familienkapelle ist bereits für eine Hochzeit geschmückt worden; sollen wir die Totenmesse hier feiern, wo mehr Platz ist, und uns danach in die Kapelle verfügen?«
König Ludwig XIV. gab mit einem winzigen Nicken seine Zustimmung und richtete seinen Blick sodann auf d’Avaux, der noch nicht entlassen worden war. »Monsieur le Comte«, sagte der König, »Ihr wolltet eine Meinung zur Identität der Frau äußern, die den abscheulichen Mord an meinem Vetter angestiftet hat?«
»Mit Verlaub, Eure Majestät«, sagte d’Avaux, »wenn wir die Aussage von L’Emmerdeur wortwörtlich interpretieren, so läuft sie nur auf eine Banalität hinaus. Ich habe keinen Zweifel daran, dass er lediglich irgendeine Hure beindrucken wollte, die er einmal in Paris kennen gelernt hat.« Und er konnte nicht verhindern, dass sein Blick einen kurzen Moment lang zu Eliza huschte, während er das sagte; doch dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem König zu. »Ich wollte eher eine allgemeinere Äußerung über alle Feinde Frankreichs und das, was sie antreibt, tun.« Er trat einen Schritt zur Seite, drehte sich um und wies mit weit ausholender Gebärde nach oben, auf eine Ecke des Deckengemäldes, wo Pandora ihre Büchse öffnete (und damit – wenn man es recht bedachte – auf merkwürdige Weise an die Schatullenöffnungsszene erinnerte, die sich soeben auf dem Ballsaalboden abgespielt hatte), um eine Flut von Lastern freizusetzen. Pandora war, wie jedermann wusste, Mary, der unrechtmäßigen Königin von England, nachempfunden. Das Laster, das als Erstes ihrer Büchse entfuhr, war der grünäugige Neid, der Sophie von Hanover nachempfunden war. Es war der Neid, auf den d’Avaux nun den König
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