Confusion
anpassen. Von der Plattform aus sah er, einem Schauspieler auf einer Bühne gleich, ein Meer von Gesichtern, die alle auf ihn gerichtet waren, viele mit vor Staunen offenen Mündern, alle erhellt durch den blaugrünen Glanz, der vom kalten Feuer des Phosphors, des Lichtträgers, ausging. Natürlich befanden sie sich alle im Freien, und das kalte Feuer war auf einen kleinen Kessel aus gehämmertem Kupfer beschränkt; der Schein war jedoch ein anderer. Es schien , als wären diese Leute alle in einem schwarzen Kerker eingemauert, der nur ein einziges quadratisches Fenster hoch oben in der Wand hatte, durch das Licht aus einer anderen Welt hereinfiel.
»Bei Tagesanbruch wird das alles hier in Schutt und Asche liegen«, kündigte Jack an. »Deshalb sollten wir so viel wie möglich von dem
kalten Feuer einsammeln und es vor Lufteinwirkung und uns selbst vor dem Flammentod schützen!«
Das taten sie auf zweierlei Weise. Zum einen tauchte jemand hin und wieder eine Schöpfkelle oben in das Sprudelgefäß und holte eine Portion Wasser heraus, in dem wie Funken über einem Lagerfeuer Flocken und Spritzer von kaltem Feuer herumwirbelten. Das gossen sie durch Trichter in die Flaschen, die Vrej besorgt hatte. Die leuchtenden Gefäße wurden an andere unten auf dem Boden weitergereicht, die sie mit Lumpen zustopften, damit keine Luft eindrang. Dann wurden die Flaschen in eine flache Schale mit siedendem Wasser gestellt, unter der sich eine Schicht glühender Kohlen befand. Da im Laufe der nächsten Stunden der Wasserdampf durch die Lumpen hindurch entwich, sank allmählich der Wasserspiegel in diesen Flaschen. Das Licht entwich jedoch nicht im selben Maße, denn der wachsartige Phosphor war innen gefangen und hatte die Tendenz, sich an die Flaschenwand zu legen, sodass jede Flasche mit der Zeit einen fleckigen Belag aus unheimlichem Licht annahm. Als diese Flaschen nahezu trocken waren, wurden sie mit einem Ruck entstöpselt und mit der Öffnung zuerst in einen Teertopf getaucht, um sie gegen das Eindringen von Luft zu versiegeln.
Zum anderen kippten sie Schöpfkellen von dem Zeug in Tontöpfe, die eine kleine Menge Nelkenöl enthielten. Das Wasser sank durch das Öl auf den Boden der Töpfe und verlor unterwegs einen Teil seiner Phosphorladung. Die Töpfe wurden dann einem ähnlichen Erwärmungsvorgang unterzogen, bei dem das unter dem Öl gefangene Wasser verdampfte. Als sie aufhörten zu rülpsen und zu dampfen, war dies das Zeichen dafür, dass das Wasser vollständig entwichen und nichts anderes mehr übrig war als in Öl suspendierter Phosphor. Das Öl bildete eine Schicht über den winzigen Phosphorteilchen und verhinderte die Berührung mit Luft, was das Zeug sicher machte.
So lautete jedenfalls der allgemeine Schlachtplan. Und im Großen und Ganzen lief es auch wirklich so; interessant wurde es jedoch durch die Missgeschicke. Jeder Spritzer und jede kleine Lache blieb sichtbar als Pfütze, als Schauer oder als tröpfelnde Spur aus kaltem Feuer. Jack bekam einen Tropfen auf den Unterarm und bemerkte ihn erst, als er für ein paar Minuten neben der Schale mit den Flaschen stand; die Wärme, die von den glühenden Kohlen ausstrahlte, trocknete die feuchte Stelle an seinem Arm und hinterließ eine feine Phosphorschicht, die sich zu einem unlöschbaren Feuer entzündete. Vielen erging
es ähnlich. Zu diesem Zeitpunkt waren die meisten von ihnen nackt, nachdem sie sich verzweifelt die Kleider vom Leib gerissen hatten, als aufgeregte Zuschauer sie darauf aufmerksam machten, dass sie leuchteten. Schöpfkellen wurden von verbrannten und nervösen Händen auf dem Gerüst verschüttet, was Monsieur Arlanc den schier übermenschlichen Mut abnötigte, nicht von der Stelle zu weichen, während er inständig darum bat, dass jemand heraufkäme und die Pfützen mit Eimern voll frischen Wassers wegspülte, bevor sie austrockneten. Die Dichtung rund um die Fensterscheibe nässte, dann sickerte Flüssigkeit durch und schließlich begann das kalte Feuer stetig zu tröpfeln. Sie schafften es, einiges davon aufzufangen und in Flaschen oder Öltöpfe zu sperren; die Lage verschlimmerte sich jedoch, als immer mehr von dem Gerüst, dem Boden darunter und den Männern, die darauf arbeiteten, einen Hauch von dem Feuer abbekamen, was, wenn es trocknete, nur eine Konsequenz haben konnte. Endlich befahl Jack Monsieur Arlanc, das sinkende Schiff zu verlassen. Der Hugenotte sprang mit einer Flinkheit, die man einem Mann seines Alters gar nicht
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