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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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uns den herrlichsten Klatsch aus London bringen wird; Klatsch, den zu hören unsere
Pflicht ist, da wir oder unsere Erben eines Tages wahrscheinlich gekrönte Monarchen von England sein werden. Wenn also Eliza in diese Weltgegend kommt, um ihren Bankert zu besuchen...«
    »Werde ich dafür sorgen, dass sie hier erscheint, Eure Kurfürstliche Gnaden.«
    »Abgemacht! Was steht als Nächstes auf der Liste?«
    »Whitehall Palace ist niedergebrannt.«
    »Ganz und gar? Man hat mir zu verstehen gegeben, er sei sehr... weitläufig.«
    »Laut den wenigen Menschen in London, die mir noch schreiben, sind nur qualmende Trümmer davon geblieben.«
    »Wir müssen englisch sprechen, wenn wir von England sprechen!«, verfügte die Kurfürstin auf Englisch. »Ich komme sonst nie zum Üben.«
    »Gut. Dann also auf Englisch: Sobald der Krieg zu Ende war, wurden die Whigs abgewählt...«
    »Der Junto?«
    »Sehr gut, Eure Hoheit, vollkommen richtig, der Junto wird in das Dunkel der Bedeutungslosigkeit befördert, und die Torys sind auf dem aufsteigenden Ast.«
    »Was für ein Glück für Wilhelm«, sagte Sophie trocken. »Gerade wenn er einen neuen Palast braucht, bekommt die dem König besonders ergebene Partei die Staatsschatulle in die Hand.«
    »Die im Augenblick zufällig vollkommen leer ist, aber an diesem Problem arbeiten derzeit ein paar gescheite Leute, unbesorgt.«
    »Nun wird das Gespräch aber wirklich gleich vollkommen langweilig«, überlegte Sophie, »da wir beim Thema Einkünfte und Steuern angelangt sind. Die Fledermaus dort oben wird, an eine Naiade oder Dryade geschmiegt, einschlafen und erst wieder während des Diners aufwachen.«
    »Alles, was man sich vom Zaren erzählt, deutet darauf hin, dass er sich von einer Fledermaus nicht stören lässt. Ihr könntet Wölfe und Bären hier im Saal haben, und er würde kein zweites Mal hinsehen.«
    »Ich versuche nicht, dafür zu sorgen, dass Peter sich wie zu Hause fühlt«, sagte Sophie frostig, »sondern möchte ihm zeigen, dass er irgendwo zwischen Berlin und hier endlich die Grenze zur Zivilisation überschritten hat. Und eine schöne Sache an der Zivilisation sind Philosophen , die in der Lage sind, interessante Gespräche zu führen.«
    »Richtig. Wir sind also mit dem Klatsch fertig und...«

    »...und bei den neuesten Entwicklungen der Philosophie angelangt – der Naturphilosophie oder der unnatürlichen, ganz wie Ihr wollt. Heraus mit der Sprache, Doktor Leibniz! Was ist denn? Hat es Euch die Sprache verschlagen?«
    »Die englischen Gelehrten beschäftigen sich allesamt mit praktischen Fragen – Münzen, Banken, Kathedralen, Renten. Die französischen werden allesamt von der Inquisition bedroht oder stehen unmittelbar unter ihrer Knute. Aus Spanien hat man nichts Interessantes mehr gehört, seit vor zweihundert Jahren die Juden und die Mauren aus dem Land geworfen worden sind. Wenn Ihr Euch also nach der Philosophie erkundigt, Euer Gnaden – und ich möchte mich nicht wichtig machen, wenn ich das sage -, so erkundigt Ihr Euch nach mir.«
    »Darf ich mich denn nicht in meinem Hause nach meinem Freund erkundigen?«
    »Natürlich, ich wollte nur... nun ja... einerlei. Ich habe viel mit den Brüdern Bernoulli korrespondiert. Nichts Wichtiges. Ihr wisst ja, dass mich Symbole und Zeichen schon immer fasziniert haben. Der Kalkül hat uns neue Vorstellungen beschert, für die wir neue Symbole brauchen. Für die Differentialrechnung gefällt mir das kleine d, und für die Integralrechnung eine Art in die Länge gezogenes S . So machen es die Bernoullis, und es passt ihnen gut. Aber es gibt noch einen Schweizer Mathematiker, einen Burschen mit Namen Nicolas Fatio de Duillier, der einmal als sehr vielversprechender, junger, aufstrebender Gelehrter galt.«
    »Derjenige, der Wilhelm von Oranien vor der geplanten Entführung gerettet hat?«, fragte Sophie, setzte die Spitze von Leibniz’ Rapier auf die Tischplatte und bog geistesabwesend die Klinge durch.
    »Genau der. Er und die Bernoullis haben miteinander korrespondiert.
    »Aber Ihr habt sehr bedeutungsvoll gesagt, er habe einmal als sehr vielversprechend gegolten.«
    »Seine Arbeit in den letzten Jahren war lachhaft. Er ist nicht mehr ganz richtig im Kopf, jedenfalls hat es diesen Anschein.«
    »Ich dachte, es sei Newton, der den Verstand verloren hat.«
    »Zu Newton komme ich gleich. Er – das heißt Fatio – und die Bernoullis haben, so scheint es, einen jener langsam vor sich hin schwelenden Dispute ausgetragen. Sie

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