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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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schlau wie eh und je. Sie und ihre Tochter haben es für unklug erachtet, den Anschein zu erwecken, als stünden sie einander zu nahe, damit Freunde wie Feinde gleichermaßen nicht auf den Gedanken kommen, sie beherrsche nun einen riesigen deutschen Staat, der sich von Königsberg im Osten bis fast an den Rhein erstreckt. Aus verschiedenen Gründen möchte sie lieber wie eine zufriedene ältere Witwe erscheinen; also lässt sie ihren Sohn George Louis in dem Glauben, er regiere Hannover, und reist nur gelegentlich nach Berlin, um ihre Enkelkinder in die Wange zu kneifen und sich nach Kräften harmlos zu geben.
    Ich fahre ständig zwischen Hannover und Berlin hin und her, sodass die eher übelwollenden Berliner Höflinge schon zu tuscheln begannen, ich müsse wohl als geheimer Verbindungsmann für Sophie dienen, mittels dessen sie ihren Einfluss ausübt. Ich kann nun einmal keinen offiziellen Grund nennen, warum ich so häufig in Berlin bin. Für die wahren Gründe (um interessante Gepräche mit Sophie Charlotte und ihrem glänzenden Freundeskreis zu führen und Prinzessin Caroline zu unterrichten) hätten solche Menschen nur Spott übrig.
    Daher die Sozietät der Wissenschaften, deren erster Präsident ich bin. Eine derartige Institution muss schlechthin von einem König ins Leben gerufen werden (hier hat natürlich Charles II. mit seiner Royal Society Pate gestanden), und dass Friedrich es getan hat, lässt seinen neuen Titel nur umso verdienter erscheinen.
Und als ihr Präsident habe ich einen Vorwand, mich in Berlin aufzuhalten, wann immer ich es wünsche.
    Nur gut, dass es nun auch noch eine andere Gesellschaft als die Royal Society gibt, der ich angehören kann! Mittlerweile habt Ihr wahrscheinlich Exemplare der schrecklichen Veröffentlichungen des vergangenen Jahres erhalten: den dritten Band von Wallis’ Werk, in dem mein fünfundzwanzigjähriger Briefwechsel mit Newton vor der ganzen Welt ausgebreitet und als etwas ganz anderes hingestellt wird, als er tatsächlich war; sowie Fatios Lineae Brevissimi Descensus, das nur einen weiteren scharfen Angriff gegen mich darstellt. Es scheint sich eine Denkschule herauszubilden, derzufolge ich keine Ahnung vom Kalkül hatte, bis ich das Ganze um 1677 herum von Newton abkupferte. Die Jahre mühevoller Arbeit in Paris unter Anleitung von Huygens gelten offenbar für nichts!
    Am besten beginne ich gar nicht erst, über die Sache zu wettern, und wende mich stattdessen lieber einigen Eurer Fragen zu.
    Ja, ich korrespondiere noch mit Eliza. Wie anders? Doch wie es viele Leute tun, wenn sie Kinder bekommen, hat sie sich irgendwann in einem etwas geregelteren Leben eingerichtet, und seither schreibt sie mir nicht mehr so häufig. Als vor drei Jahren der Friedensvertrag zwischen Frankreich und den Alliierten unterzeichnet wurde, erkannte der französische Hof ihren Titel als Herzogin von Qwghlm an, und sie begann, häufig nach England zu reisen – allerdings fast nie mit ihrem Mann. Sie unterhält ein Stadthaus in der Nähe des St. James’s Palace und ist sogar gelegentlich nach Qwghlm gereist, um ihre Bindungen zu ihrem Geburtsort zu erneuern. Ein, zwei Mal im Jahr kommt sie in meinen Teil der Welt, um Zeit mit ihrem unehelichen Sohn zu verbringen und um Sophie einen Besuch abzustatten. Ihr Mann mit seinen schon lange bestehenden Verbindungen zur Marine ist Qwghlm stärker zugetan als sie und scheint sich einzubilden, die Trutzburg dort habe das Zeug zum Landhaus – obwohl sich schwerlich eine abgelegenere und miserablere Lage für ein solches denken lässt! Und so war er im zurückliegenden Jahr mehrere Monate dort, um ein Projekt zu beaufsichtigen, das den Wiederaufbau eines Teils der Ruine und seine Umwandlung in eine Villa und einen angemessenen Sitz für das entstehende Herzogtum Arcachon-Qwghlm vorsieht. In London murren manche
schon, er schicke sich an, Qwghlm in einen französischen Flottenstützpunkt à la Dünkirchen umzuwandeln. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Eliza dergleichen zulässt.
    Um sich in der Londoner Gesellschaft einen Namen zu machen, unterstützt sie dort eine mildtätige Stiftung für vagabundierende Soldaten, die schon seit einigen Jahren ein Lieblingsanliegen von ihr ist. Nachdem der Friedensvertrag unterzeichnet worden war und die Torys an die Macht kamen, wurde die Größe von Englands Heer drastisch reduziert, und viele Regimenter wurden aufgelöst. Seither durchstreifen stellungslose Soldaten das Land und machen Ärger. Elizas

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