Crossfire. Versuchung: Band 1 Roman (German Edition)
Privatsphäre ist genau das: privat!«
»Versetzen Sie sich doch einmal in die Lage Ihrer Tochter, Monica«, warf Dr. Petersen ein. »Halten Sie es für möglich, dass Sie sich genauso fühlen würden wie sie? Was, wenn Sie feststellen müssten, dass jemand Ihre Bewegungen überwacht, ohne dass Sie es wissen oder ihm die Erlaubnis gegeben hätten?«
»Das wäre kein Problem für mich, wenn es sich bei dem Betreffenden um meine Mutter handelte und ich wüsste, dass es sie beruhigt«, widersprach sie.
»Haben Sie denn schon einmal darüber nachgedacht, dass Ihr Verhalten Eva eher be un ruhigt?«, hakte er sanft nach. »Ihr Bedürfnis, sie zu beschützen, ist verständlich, aber Sie sollten offen mit ihr darüber sprechen, welche Schritte Sie ergreifen wollen. Es ist wichtig, dass Sie sie vorher nach ihrer Meinung fragen – und Kooperation nur dann von ihr erwarten, wenn sie auch dazu bereit ist. Es ist ihr gutes Recht, Grenzen zu ziehen, auch wenn diese Ihnen vielleicht zu eng sind.«
Entrüstet murmelte meine Mutter etwas vor sich hin.
»Eva braucht ihre Grenzen, Monica«, fuhr er fort. »Und sie muss das Gefühl haben, ihr Leben selbst unter Kontrolle zu haben. Schließlich hat man ihr diese Möglichkeit lange Zeit genommen, und wir müssen ihr Recht respektieren, sie neu zu setzen, und zwar auf eine Weise, die ihr am ehesten zusagt.«
»Oh.« Meine Mutter zwirbelte ihr Taschentuch um die Finger. »So habe ich es noch nie gesehen.«
Ich griff nach Mutters Hand, als ihre Unterlippe plötzlich heftig zu zittern begann. »Ich hätte Gideon in jedem Fall von meiner Vergangenheit erzählt. Aber ich hätte dich vorwarnen können. Es tut mir leid, dass ich nicht daran gedacht habe.«
»Du bist viel stärker als ich es je war«, erwiderte meine Mutter. »Aber ich kann einfach nichts dafür, dass ich mir ständig Sorgen mache.«
»Mein Vorschlag wäre folgender«, sagte Dr. Petersen. »Nehmen Sie sich etwas Zeit, Monica, und denken Sie darüber nach, welche Ereignisse und Situationen Ihnen besonders viel Angst machen. Schreiben Sie sie nieder.«
Meine Mutter nickte.
»Die Liste wird wahrscheinlich nicht gleich vollständig sein, aber es wäre immerhin schon mal ein guter Anfang. Setzen Sie sich dann mit Eva zusammen und reden Sie mit ihr, wie Sie Ihre Besorgnis in den Griff bekommen können – erarbeiten Sie Strategien, mit denen Sie beide gut leben können. Wenn Sie beispielsweise ein paar Tage nichts von Eva gehört haben und sich deshalb Sorgen machen, könnte eine E-Mail oder eine SMS die Situation doch schon wieder beträchtlich entschärfen.«
»Okay.«
»Wenn Sie wollen, können wir diese Liste auch gemeinsam durchgehen.«
Bei dem ganzen Geplänkel zwischen den beiden hätte ich am liebsten losgeschrien. Es machte im Grunde alles nur noch schlimmer. Ich hatte nicht erwartet, dass Dr. Petersen meine Mutter zur Vernunft bringen würde, aber ich hatte gehofft, dass er zumindest deutlichere Worte finden würde – einer musste es ja schließlich tun, und seine Autorität respektierte sie immerhin.
Als wir uns am Ende der Sitzung wieder auf den Weg machten, bat ich meine Mutter, noch einen Augenblick draußen auf mich zu warten, damit ich Dr. Petersen eine letzte persönliche und sehr private Frage stellen konnte.
»Ja, Eva?« Er stand vor mir und bedachte mich mit diesem unendlich geduldigen und weisen Blick.
»Ich habe mich nur gefragt …« Ich hielt inne, der Kloß in meinem Hals war so groß, dass ich kaum schlucken konnte. »Ist es für zwei Missbrauchs-Opfer möglich, eine intakte Beziehung zu führen?«
»Absolut.« Ich hatte vor Anspannung die Luft angehalten. Als ich seine sofortige und unmissverständliche Antwort hörte, atmete ich erleichtert aus.
Wir gaben uns die Hand. »Danke.«
Zu Hause angelangt schloss ich die Apartmenttür mit den Schlüsseln auf, die Gideon mir zurückgegeben hatte, und ging sofort in mein Zimmer, nachdem ich Cary, der gerade Yoga im Wohnzimmer machte, mit einem müden Winken begrüßt hatte.
Auf dem Weg zum Bett streifte ich meine Kleider ab und kroch, nur noch mit Unterwäsche bekleidet, zwischen die kühlen Laken. Ich umarmte ein Kissen und schloss die Augen. Ich fühlte mich so müde und ausgelaugt, dass nichts mehr von mir übrig zu sein schien.
Da öffnete sich die Tür, und einen Augenblick später saß Cary neben mir auf der Bettkante.
Er strich mir das Haar aus dem tränenüberströmten Gesicht. »Was ist los, Baby?«
»Er hat mir den Laufpass gegeben.
Weitere Kostenlose Bücher