CSI: Miami - Der Preis der Freiheit
nicht wie die übliche Verhörstrategie ›Guter Cop – Böser Cop‹ ablief.
»Sie sind also ein guter Bogenschütze«, begann Horatio mit der Befragung.
»Das war ich mal«, entgegnete Julio.
»Oh?« Yelina bewegte sich zu ihm vor und fragte eine Spur zu laut: »Schießen Sie etwa nicht mehr?«
»Ich gehe nicht mehr auf die Jagd. Aus Vergnügen oder zur Nahrungsbeschaffung Tiere zu töten, ist schlecht für das Karma.« Seine Antwort klang sehr nach der rituellen Wiederholung eines Dogmas, und Horatio war klar, dass er Ferra aus der Reserve locken musste, wenn er keine auswendig gelernten Phrasen hören wollte.
»Und wie ist das mit dem Töten von Menschen? Ist das okay für Sie?«, erwiderte er.
»Was? Nein, natürlich nicht …«
»Nun, es ist schon komisch, Julio. Zwei Menschen, mit denen Sie zusammengearbeitet haben, starben kurz hintereinander, und einer von ihnen wurde mit einem Pfeil getötet, der mit einem Compound-Bogen abgeschossen wurde. In diesem Moment untersuchen meine Ermittler gerade einen solchen Bogen und einige Pfeile, die wir in der Garage Ihrer Eltern beschlagnahmt haben … und was, denken Sie, wird dabei herauskommen?«
Nun sah Julio ihm direkt in die Augen – das taten viele Lügner, die nicht wussten, dass man sich auch mit einem derart übertriebenen Verhalten verraten konnte. »Sie werden feststellen, dass ich ihn vor kurzem benutzt habe«, entgegnete er trotzig. »Ich übe mich gelegentlich noch im Zielschießen, auf der Anlage der Klinik. Das ist alles.«
»Sicher«, sagte Yelina, die sich geräuschlos auf die andere Seite bewegt hatte. »Und wo waren Sie heute Morgen um zehn Uhr?«
»Ich war in der Klinik und bin ein paar Runden um den Pool gelaufen.«
»Ganz allein?«, fragte sie.
Als Julio sie lächelnd anschaute, sah Horatio ganz kurz in ihm das pummelige, glückliche Kind aus der Fotosammlung seiner Eltern. »Nein. Sehen Sie fern?«
Das war eine merkwürdige Frage, aber Horatio ahnte bereits, warum Julio sie stellte.
»Nein, nicht sehr oft«, antwortete Yelina.
»Dann sollten Sie sich den aktuellen TV Guide besorgen«, erklärte Julio. »Um zehn Uhr war ich mit dem Typen zusammen, der diese Woche auf dem Cover ist. Und mit seiner Freundin. Sie ist in der aktuellen Vogue, oder in der vom letzten Monat, ich weiß es nicht so genau.«
»Ich werde das nachprüfen«, entgegnete Horatio, obwohl er bereits wusste, dass Julio die Wahrheit sagte. »Aber auch wenn es stimmt, bedeutet das nicht, dass wir mit Ihnen fertig sind.«
»Was soll das heißen?«
»Die Methoden von Dr. Sinhurma schlagen bei Ihnen wirklich gut an – Sie waren früher mal wesentlich dicker, nicht wahr?«
»Jetzt wiege ich nur noch fünfundsiebzig Kilo. Ich laufe jeden Tag hundert Runden.« Julio klang ein bisschen gekränkt, aber Horatio war klar, dass er ihm erheblich mehr zusetzen musste, wenn er etwas erfahren wollte.
»Sie haben sich wirklich verändert. Sie verkehren mit berühmten Persönlichkeiten, Sie sehen gut aus und sind von Leuten umgeben, die Sie schätzen – es ist doch zu schade, dass damit bald Schluss ist.«
»Sie haben doch gar nichts gegen mich in der Hand«, sagte Julio verwirrt.
»Darum geht es ja auch nicht. Ich rede von der Klinik. Es ist eine Schande, wirklich. Ich habe gesehen, dass Dr. Sinhurma gute Arbeit leistet. Aber Sie müssen verstehen, Julio, dass es gewisse Leute gibt, die nicht wollen, dass diese Arbeit fortgesetzt wird.«
Nun machte Horatio eine Pause und sah Yelina bedeutungsvoll an. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie keine Ahnung hatte, worauf er hinauswollte, und ziemlich neugierig darauf war, wie es nun weiterging. Julio blickte plötzlich misstrauisch. »Was für Leute?«
»Die Leute, denen ich unterstehe, Julio. Das ist Miami – Sie wissen doch, wie das läuft. Eine Hand wäscht die andere; der eine tut dem anderen einen Gefallen, für den er sich irgendwann revanchieren muss. Und ein Mann in meiner Position … nun, sagen wir einfach, ich bin vielen etwas schuldig.«
Kaum merklich senkte Horatio die Stimme. »Glauben Sie mir also, wenn ich sage, Sinhurma ist am Ende. Seine Message ist einfach zu bedrohlich. Ich wurde angewiesen, den Laden dichtzumachen, und ich fürchte, genau das werde ich auch tun müssen.« Aus seiner Stimme sprach ein Hauch von Bedauern.
Sekten arbeiteten, wie er wusste, mit emotionaler Manipulation, um ihren Mitgliedern eine bestimmte Ideologie einzutrichtern. Im Grunde war es immer das Gleiche: Der Anführer der Sekte
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