Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
bei dieser Kälte …«
Wieder ignoriert sie mich völlig. Ich atme tief durch. Was soll das? Ich habe keine Lust, vor Miss Anderson auszuflippen. Das ist einfach nicht mein Ding.
»Was ist mit den Engeln, warum sind sie nicht hier?«
»Das einzige Problem ist Raguel«, sagt Miss Anderson, »er geht nicht mit den anderen konform. Bis jetzt konnten wir nicht herausfinden, was mit ihm nicht stimmt. Eigentlich müssen sich die Engel in der Nähe des Motels aufhalten. Sie müssen Samael auf die Welt helfen. Aber Raguel scheint unter einem anderen Einfluss zu stehen.«
Sie zieht den Riemen an meinem Oberschenkel fester. Samael auf die Welt helfen und unser Werk vollenden.
Ich sehe auf ihr stahlgraues, perfekt in Wellen gelegtes Haar.
»Es wird etwas ungewohnt sein, damit zu laufen«, sie lässt die Glock einrasten, »aber nach einigen Kilometern spürst du es nicht mehr.«
»Was soll ich tun?«, frage ich fassungslos.
Miss Anderson richtet sich vor mir auf.
»Laufen«, sagt sie ungewohnt freundlich, »für heute: nur laufen.«
Ich blicke nicht über die Schulter zurück. Ich laufe einfach los. Meine Jacke und mein Sweatshirt liegen auf der Motorhaube des Bronco und der eisige Wind fegt über meine nackten Arme. Doch in mir drin ist es warm. Heiß vor Zorn. Auf Miss Anderson. Kat und Indie. Aber auch auf Granny. Sie ist schuld, dass wir bis über beide Ohren in diesem Schlamassel stecken. Und sie ist schuld, dass ich hier bei Minusgraden das absolviere, was ich in einem Jahr im Orden gelernt hätte.
St. Lucille de Fleurs.
Ach ja. Warum nicht. Ich blicke auf meine Beine, die sich mechanisch Schritt für Schritt bewegen, und lege an Tempo zu. Der erste Kiesberg wächst vor mir in die Höhe und ich sprinte hinauf. Ganze Teile davon rutschen unter mir ab, Steine rollen unter meinen Füßen weg und ich denke an den Wüstenhund, der hier mit uns herumgetobt war. Sein weißes Fell verschwamm mit dem hellen Gestein, dem Sand und dem gleißenden Sommerhimmel. Wir ließen uns die Berge hinunterrollen bis ins Wasser und der Wüstenhund leckte unsere nackten Zehen.
Ich erreiche den Gipfel und halte kurz inne, presse meine Hände in die Seiten. Mein Herz hämmert gegen die Brust. Ich habe keine Kondition.
»Weiter«, höre ich Miss Andersons Stimme unerbittlich hinter mir, sie hallt unwirklich zwischen den Hügeln, »einmal durch das Gelände. Die Uhr läuft!«
Gerne würde ich ihr den Mittelfinger zeigen, doch ich verkneife es mir und laufe mit Schwung den Berg wieder hinunter. Ich sinke bis zu den Waden ein, obwohl auch hier die oberste Schicht gefroren ist.
Als würde man durch Eiscreme laufen, denke ich.
Das Holster am Oberschenkel drückt und ich habe Angst, dass ich, wenn ich stürze, auf die Glock falle und mir ins Bein schieße. Hier beginnt ein kleiner, ausgetretener Weg, der um die Grube herumführt, man läuft direkt am Abgrund entlang und der Weg ist so schmal, dass man jeden Tritt eigentlich mit Bedacht setzen muss. Aber ich bin so in Fahrt, dass es mir egal ist. Ich laufe einfach drauflos. Unten stehen Bagger, die Förderbänder laufen die Steigung hinauf und enden am See. Früher war das der perfekte Abenteuerspielplatz. Granny hatte uns nicht verboten, auf den alten Maschinen herumzuklettern. Nicht ausdrücklich. Vielleicht hatten wir sie auch einfach nie gefragt. Der Weg macht eine Biegung, dort stehen ein paar kleinere Weiden, an denen man sich vorbeidrücken muss. Ihre kahlen Äste streifen mein Gesicht und ich laufe langsamer, damit ich an dieser schmalen Stelle nicht den Halt verliere. Ich strecke meine Arme aus, um die hängenden Zweige von mir wegzuschieben, da höre ich einen leisen Pfiff. Der Ton ist mir so vertraut, dass mein Herz einen freudigen Satz macht. Ich hatte es fast vergessen. Sein Zeichen, wenn er vor Whistling Wing auf mich wartete. Sein Pfiff, den ich bis in Indies und mein Zimmer hören konnte. Ich bleibe stehen und Miley rutscht vor mir die Böschung herunter. Er kommt genau vor mir zum Stehen und schlingt die Arme um mich.
»Miley«, flüstere ich, »Miss Anderson …«
»Ich weiß …«, er öffnet seine Jacke und ich schmiege mich an seine Brust, »ich bin euch gefolgt. Ich habe dich laufen sehen. Was soll die Waffe an deinem Bein?«
Der kalte Wind scheint mit einem Mal still zu sein. Die Zweige bewegen sich nicht mehr und Miley streicht mit seiner Hand über das Holster.
»Wie geht es dir?«, frage ich, anstelle einer Antwort.
»Sie passen auf mich auf, die Wölfe. Es
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