Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
„Aber ihr Königreich grenzt an das Lindenland.“
„Ah.“ Ich schmunzelte. Meine Bemerkung gegenüber Ranelle, dass andere einen begehrlichen Blick auf das Land ihres Königs werfen würden, wenn seine Macht schwand, bewahrheitete sich. Durch sein Ausschlagen meines Angebots, sich dagegen zu wappnen, hatte er zugelassen, dass nun diejenigen an mich herantraten, die bei diesen Streitigkeiten auf der gegnerischen Seite stehen würden. „Er wird seine Neutralität noch bereuen. Schau einmal, ob Caria sich mit Dorian treffen möchte, solange ich weg bin.“ Dorian durchschaute diese Situation bestimmt bis ins Kleinste.
Ich nahm an, dass das alles gewesen war, und wollte gehen. „Eines noch“, sagte Shaya und drehte einen ihrer schwarzen Zöpfe, wie sie es gern tat, wenn sie nervös war. „Girard möchte Euch gern sprechen.“
Ihr Unbehagen hätte mich glatt vermuten lassen, dass doch noch etwas Schlimmes auf mich wartete, aber Girard war einer der wenigen Feinen, die kaum einmal mit schlechten Nachrichten kamen. Wenn überhaupt, dann kam er normalerweise mit Geschenken, mit irgendeinem neuen Beispiel seiner Handwerkskunst. Manche Stücke– wie Dorians Schwert und Jasmines Handschellen– hatte ich eigens in Auftrag gegeben. Manchmal jedoch hatte er eine Inspiration und präsentierte einen kompliziert gearbeiteten Hals- oder Kopfschmuck, wie ihn Menschen sicher niemals anfertigen könnten. Er vermochte sogar kleine Mengen von Eisen zu verarbeiten.
„Er hat bestimmt irgendwas ganz Tolles gemacht, aber ich bin heute nicht in Stimmung“, sagte ich. „Ich will mit Jasmine reden.“
„Er ist nicht hier, um seine Arbeiten zu zeigen. Er möchte Euch seine Schwester vorstellen.“ Sie sah mich erwartungsvoll an und schien überrascht, dass ich keine Reaktion zeigte. „Ihr habt doch sicher schon von ihr gehört? Imanuelle de la Colline?“
Ich schüttelte den Kopf. „Sollte ich das?“
Shaya zuckte die Achseln. „Vielleicht nicht. Aber ich glaube, Ihr fändet sie… interessant. Es dauert nur eine Minute.“
Es stimmte, dass ich es eilig hatte, aber Shayas Andeutungen machten mich neugierig. Wir gingen zu Girards Werkstatt; ich hatte ihm Räume am Außenrand des Schlosses gegeben, für den Fall, dass es in der Schmiede einmal zu einem Brand kam. Er beugte sich gerade über einen Tisch, und seine Finger arbeiteten auf magische Weise an einem Streifen Metall und Edelsteine.
„Noch eine Krone?“, fragte ich amüsiert. Die machte er anscheinend am liebsten.
Girard sah erschrocken auf und verneigte sich. „Nein, Eure Majestät. Das ist etwas, das Lord Rurik bestellt hat. Wenn Ihr noch eine Krone möchtet–“
Ich winkte ab. „Nein, nein. Von denen habe ich weiß Gott genug. Aber das hier sieht mir so gar nicht nach Rurik aus.“
Girard enthielt sich eines Kommentars. Aus Diskretion vermutlich. Er wandte sich um und zeigte zur Seite der Werkstatt, und mir blieb der Mund offen stehen. Dort stand eine Frau, die ich aus irgendeinem Grunde beim Eintreten gar nicht bemerkt hatte– was eigentlich unmöglich war. Sie besaß die gleiche dunkle Haut und das gleiche schwarze Haar wie ihr Bruder und teilte seine Vorliebe für farbenfrohe Kleidung. Sie trug ein grün glänzendes Seidenkleid, dessen Saum kürzer war als bei den meisten Feinenfrauen. Irgendetwas daran vermittelte mir den Eindruck, dass sie das weniger sexy als vielmehr praktisch fand.
„Eure Majestät.“ Sie machte einen Hofknicks. Wie bei Girard schwang ein leichter französisch klingender Akzent in ihren Worten mit.
„Dies ist meine Schwester Imanuelle“, sagte er. Wie Shaya schien er zu erwarten, dass ich wusste, wer seine Schwester war.
„Sehr erfreut.“ Als niemand etwas sagte, wäre ich am liebsten gleich wieder gegangen, so eilig hatte ich es.
Imanuelle entging das nicht; sie trat vor, mit graziösen, gleitenden Bewegungen. „Eure Majestät, ich möchte Euch meine Dienste anbieten. Für den Fall, dass sie Euch gelegen kommen.“
Ich sah die anderen an, weil ich mehr wissen wollte, erfuhr aber nichts. „Was macht Ihr denn? Metallarbeiten wie Girard?“
Ein verschmitztes Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie hatte begriffen, dass ich gar nicht wusste, wer sie war, und schien das zu genießen. „Nein. Meine Talente sind von… anderer Natur.“
Ich sah eine leichte Geste ihrer Hand, und dann wurde das metallicgrüne Kleid plötzlich gelb. Einen Moment später veränderte es auch noch seine Form und wurde zu einem weich
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