Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
Vom Netzwerk:
schwarzen porigen Vulkanstein. Am Anfang waren die Stufen, die Sigfinn dort fand, vom Meerwasser überspült und glitschig. Er musste darauf achten, nicht auszurutschen und sich an den harten Wänden das Genick
zu brechen. In einem bronzenen Ring an der Wand fand er eine Fackel, eigentümlich frisch. Er entzündete sie und war froh, sich den Weg in den Berg hinauf nicht ertasten zu müssen. Die Luft roch abgestanden, und wer immer die Gänge aus dem Fels gemeißelt hatte, war dabei nicht nach dem Maßstab der Bequemlichkeit vorgegangen. Immer wieder musste Sigfinn sich bücken, sich durch einen Spalt zwängen und einmal sogar auf allen vieren kriechen.
    Wie schnell die Dinge sich änderten. Vor wenigen Tagen war er noch in Worms gewesen. Brynja und er hatten sich feiern lassen, hatten mit Freunden getrunken und waren für ein geschundenes Volk da gewesen. Jetzt war er allein, in einer Burg ohne Hofstaat, in einer Zeit ohne Sinn, auf der Suche nach einem Mann, den er mal Freund genannt hatte - um ihn zu töten. Auch das ein Grund, wieder in die eigene Wirklichkeit zu wollen. Es war nie gut, das Schwert zum Mord zu ziehen.
    Am Ende des Gangs fand sich eine Mauer, und nach dem mühsamen Aufstieg atmete Sigfinn schwer. Die Mauer kannte er gut, sie war nur ein dünnes Hindernis, das mehr die Augen als den starken Arm täuschen sollte. Zwei-, dreimal presste Sigfinn sein Körpergewicht dagegen, und der schwache Mörtel gab die Steine frei. Hustend landete er in einem Lagerraum, in dem schon seit Generationen nichts mehr gelagert wurde. Im Gang jenseits der Tür ging es links zu den Kerkern, die sein Vater hatte versiegeln lassen, und rechts weiter nach oben, in das Hauptgebäude von Isenstein.
    Sigfinn hatte es geschafft - keuchend und tropfnass zwar, aber immerhin. Hinter dem Rücken seiner Feinde hatte er den Weg in die Burg seiner Väter gefunden. In seine Burg. Ein paar Minuten gönnte er sich Erholung. Es lag keine
Vernunft darin, Calder in diesem Zustand zu fordern. Sein Blick musste klar sein, seine Hand ruhig. Im Halbdunkel des Lagers sah er zu, wie seine Kleidung von der Hitze der Fackel dampfte.
    Dann weiter. Immer weiter. Zur Nacht der Entscheidung.
    Unter seinem Hemd fühlte er, wie sich das Amulett erwärmte. Es spürte die Gefahr, aber auch die Möglichkeit, die in ihr lag. Mit Nothung in der Hand schlich Sigfinn durch die Gänge, Treppen hinauf, durch Türen und Tore. Die Fackel hatte er gelöscht, um nicht durch ihren Schein aufzufallen. Den Weg fand er auch blind - tatsächlich hatte er als Kind gerne die Burg mit verbundenen Augen durchstreift, um zu lernen, sich auf sein Gefühl zu verlassen. Das zahlte sich nun aus.
    Von einer Galerie aus sah er unentdeckt die Soldaten in Calders Sold. Es waren nur noch eine Handvoll. Der Rest war wohl auf der Reise verschwunden, während die anderen schliefen. Sie bewachten das Haupttor, auf dessen anderer Seite Brynjas Leibwächter patrouillierten. Damit waren sie gut beschäftigt, wie er fand.
    Er dachte darüber nach, wo Calder sich wohl aufhalten mochte. Letztlich gab es darauf nur eine glaubhafte Antwort, und so machte sich Sigfinn auf den Weg zum Thronsaal.
    Calder saß breitbeinig auf dem Thron, der ihm nicht zustand, in der Rechten das Schwert, in der Linken einen Kelch kostbaren Weins, den er in den Kellern gefunden hatte. Nur wenige Fackeln erleuchteten den Saal, schufen Inseln aus Licht in einem Meer aus Dunkelheit. Die Fahnen des Reiches waren achtlos in der großen Feuerstelle verbrannt worden, und karg stand der große Ratstisch im Raum, mit leeren Tellern und umgeworfenen Bechern.

    Die Zeit, sich zu verstecken, war vorüber.
    Calder sah nicht einmal auf, als Sigfinn den Raum betrat, und der Prinz fühlte sich merkwürdig an den Moment erinnert, als er Hurgan das erste Mal gegenübertrat.
    »Du hättest mehr Schwerter in deinem Dienst mitbringen sollen«, sagte Calder.
    »Meines genügt«, entgegnete Sigfinn und zog langsam Nothung. Er machte einige vorsichtige Schritte auf den Thron zu. »Ich würde dich gerne fragen, was geschehen ist.«
    »Was soll geschehen sein?«, fragte Calder, und seine Zunge war schwer.
    Sigfinn schob die Erinnerung daran, dass Calder Brynja geschändet hatte, beiseite und hielt seine Stimme ruhig. »Wir waren einstmals Freunde.«
    »Freunde?« Calder hörte in sich hinein, als suche er nach einer Bedeutung des Wortes.
    »Wir hatten einen Pakt geschlossen, der dich nach Island brachte. Du warst verletzt, und dein Gefährte

Weitere Kostenlose Bücher