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Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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Tasmins Schreibtischlampe. Bei näherem Hinsehen entdeckte Cari, dass ein Insekt in dem Stein eingeschlossen war – offenbar eine winzige Fliege mit langen zarten Flügeln. Wie außergewöhnlich! Mit dem Zeigefinger fuhr Cari das eingravierte Muster nach. Drei Spiralen. Ein keltisches Symbol? Behutsam öffnete sie den Verschluss, ging zum Spiegel neben der Tür und legte sich die Kette um den Hals. Schwer und tröstlich lastete das Gewicht des Anhängers auf ihrem Brustbein, als gehöre er dorthin.
    Cari betrachtete ihr Spiegelbild. Ihr langes dunkles Haar war völlig zerzaust. Der antike Anhänger, der sich an ihre Haut schmiegte, verstärkte diesen Eindruck der Wildheit, verlieh ihrem Spiegelbild den Anflug von Verwegenheit und Unbezähmbarkeit.
    Hatte Tasmin dies durchs Zimmer geschleudert? Sanft strich Cari darüber. Wahrscheinlich. Aber sie hatte den Schmuck letztendlich doch nicht weggegeben, sondern all die Jahre aufgehoben, versteckt in einem Geheimfach hinter der obersten Schublade ihres Schreibtischs, wo Cari ihn soeben gefunden hatte – per Zufall, weil sie die Schublade so weit herausgezogen hatte, dass sie aus der Laufschiene gekippt war. Und daneben, an der Rückwand der Schublade, hatte das Foto geklebt.
    Cari nahm es in die Hand. Eine Frau schätzungsweise um die fünfzig. Zierlich, blond, attraktiv. Sie wirkte so energiegeladen, als könne sie es gar nicht erwarten, in ihrer Arbeit fortzufahren. Sie stand in einem parkähnlichen Garten, der sich offenbar in einem südlichen Land befand. Die blühenden Büsche im Hintergrund bildeten eine Art Muster – fast wie ein Labyrinth. Cari tastete nach dem Anhänger. Das Foto und der Bernsteinanhänger. Sie passten zusammen. Sie waren am selben Ort versteckt gewesen. Sicherlich gehörte das eine zum anderen …
    Sie strich über das Gesicht der abgelichteten Frau. War das Tasmins Mutter? Caris Großmutter? Es gab keine offensichtliche Ähnlichkeit zu Tasmin, obwohl beide blond und schlank waren. War dies die Frau, die Tasmin so gehasst hatte? (Und doch hatte sie ihr Foto aufgehoben. Behielt man Bilder von Menschen, die man hasste?) War dies die Frau, die ihr das herrliche Schmuckstück geschenkt hatte, die Frau, die im Park gezeichnet hatte, statt mit ihrer Tochter zu spielen? Die ihr Zuhause und auch Tasmin verlassen hatte? Allerdings lebte sie nicht mehr, das zumindest hatte Tasmin ihr erzählt. Die Großeltern (ja, anders als andere Menschen hatte sie nur Großeltern mütterlicherseits, da sie ihren Vater nicht kannte) waren bereits vor ihrer Geburt gestorben.
    Also würde sie sie niemals kennenlernen. Cari seufzte. Niemals würde sie die Geschichte hinter der wunderschönen alten Kette erfahren … Es sei denn …
    Cari blickte auf die Uhr. Sie hatte die Zeit vergessen. Dan wollte zum Abendessen kommen, und sie hatte noch überhaupt nichts eingekauft. Sie schob das Tagebuch in ihre Tasche. Aber den Anhänger nahm sie nicht ab.
    Ich werde ihn behalten, sagte sie sich, während sie ihn unter ihre Bluse schob. Und herausfinden, was es damit auf sich hat.
    Beladen mit Tüten, stand Cari vor ihrer Wohnungstür und kämpfte mit dem Schlüssel. Sie hatte es gerade geschafft, ihn ins Schloss zu stecken, als sie im Treppenflur hinter sich Schritte hörte.
    »Hallo! Sind Sie nicht die hübsche Lady aus dem Brautmodengeschäft?«
    Die Stimme kam ihr bekannt vor. Mit den Tüten in den Armen fuhr sie herum. »Ach, hallo.« Prompt platzte eine der Tüten, und das Gemüse, das sie eingekauft hatte, kullerte über den Boden. Cari fluchte leise.
    »Ich helfe Ihnen.« Der junge Italiener bückte sich, um die Tomaten zu retten. »Strauchtomaten. Gut.« Er nickte beifällig.
    Cari lächelte. Sie war noch nie in Italien gewesen, hatte jedoch gehört, dass Essen dort zu den großen Leidenschaften zählte. Aber Moment mal … »Was machen Sie überhaupt hier?« Sie dachte an seinen seltsamen Gesichtsausdruck, als sie ihn im Café gesehen hatte.
    »Ich wohne hier.« Er ging in die Hocke, um das restliche Gemüse aufzusammeln, blickte zu ihr auf und bewegte die Augen Richtung Decke. »Dort oben. Im zweiten Stock.«
    Er wohnte in diesem Haus? »Seit wann?« Bisher hatte es keine Anzeichen für seine Anwesenheit gegeben. Cari wusste, dass das blonde Mädchen von Nummer 2b vorgehabt hatte, auszuziehen, aber ihr war weder ein Umzugswagen aufgefallen noch das bei einem Umzug übliche Kommen und Gehen.
    Er runzelte die Stirn. »Seit letzter Woche.«
    Wie hätte sie es auch bemerken

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