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Das Eulenhaus

Das Eulenhaus

Titel: Das Eulenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Schlagzeilen in den Zeitungen: DAS LIEBESLEBEN EINES ARZTES – Gerda, ich und Veronica Cray – Aber so war John gar nicht. Er hat überhaupt nie viel an Frauen gedacht. Was ihm am meisten bedeutete, waren nicht Frauen, sondern seine Arbeit. Seine Arbeit hat er mit solchem Interesse betrieben, solcher Erregung – ja, mit Abenteuerlust. Wenn Sie John in einem unbewussten Moment gefragt hätten, welche Frau er gerade im Kopf hat, wissen Sie, was er geantwortet hätte? – Mrs Crabtree.«
    »Mrs Crabtree?« Poirot war verblüfft. »Und wer ist diese Mrs Crabtree?«
    Henriettas Stimme schwang hin und her zwischen Lachen und Weinen. »Das ist eine alte Frau – hässlich, schmutzig, runzlig und unverwüstlich. Aber sie war die Welt für John. Sie liegt im St.-Christopher-Krankenhaus. Sie hat Morbus Ridgeway, eine ganz seltene Erkrankung, und wenn man sie einmal hat, muss man sterben – es gibt einfach noch kein Heilmittel dafür. John stand kurz davor, eins zu entwickeln – ich kann das nicht medizinisch erklären, das ist ganz kompliziert und hat irgendetwas mit der Hormonsekretion zu tun. John hat lange experimentiert, und Mrs Crabtree war seine Starpatientin – einfach weil sie Mumm hat, weil sie leben will und weil sie John gern hatte. Er und sie kämpften auf derselben Seite. Der Morbus Ridgeway und Mrs Crabtree, das stand seit Monaten an erster Stelle in Johns Gedanken, und zwar Tag und Nacht – etwas anderes zählte da nicht wirklich. So ist das, wenn man ein Arzt wie John ist – Harley-Street-Getue und fette reiche Patientinnen, das ist alles bloß Beiwerk. Ich – ach, ich würde Ihnen das alles so gern begreiflich machen.«
    Sie warf die Hände in einer eigenartig verzweifelten Geste hoch, und Hercule Poirot fiel auf, was für schöne, sensible Hände sie hatte.
    »Sie haben das alles offenbar gut begriffen.«
    »O ja, das habe ich. John kam zu mir, um zu reden, wissen Sie? Gar nicht so sehr mit mir – mit sich selbst, jedenfalls zum Teil, glaube ich. Auf die Weise hat er Dinge für sich klargekriegt. Manchmal wollte er fast verzweifeln – wusste nicht, wie er die erhöhte Toxizität wegkriegen konnte, zum Beispiel. Und plötzlich fiel ihm ein, wie er die Dosierung variieren konnte. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie das war – das war wie, ja, wie eine Schlacht. Sie können sich nicht vorstellen, mit welcher – Wut, Konzentration, ja, manchmal richtig Qual, und manchmal schierer Erschöpfung er – « Sie schwieg eine Weile. Ihr Blick war erinnerungsschwer.
    Neugierig fragte Poirot: »Sie haben wohl auch gewisse medizinische Kenntnisse?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht. Gerade so viel, dass ich verstehen konnte, wovon John redet. Ich hatte mir Bücher besorgt und sie gelesen.«
    Wieder schwieg sie. Ihre Gesichtszüge wurden weich, ihr Mund öffnete sich leicht. Sie hängt Erinnerungen nach, dachte Poirot.
    Plötzlich war sie mit einem Seufzer wieder in der Gegenwart. Sie sah ihn wehmütig an. »Wenn ich Ihnen das alles nur begreiflich machen könnte – «
    »Aber Sie haben das, Mademoiselle.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Man erkennt Wahrhaftigkeit, wenn man sie hört.«
    »Danke. Aber es ist bestimmt nicht so leicht, es Inspektor Grange zu erklären.«
    »Vermutlich nicht. Er wird sich auf den persönlichen Aspekt konzentrieren.«
    »Und der war so unbedeutend«, protestierte Henrietta energisch, »so vollkommen unbedeutend.«
    Poirots Augenbrauen gingen sachte nach oben.
    Sofort reagierte sie auf seinen unausgesprochenen Zweifel. »Doch, das war er! Nach einer Weile – na ja, da bin ich zwischen John und seine Gedanken geraten. Ich hatte ihn sozusagen als Frau berührt. Und er konnte sich nicht mehr so konzentrieren, wie er wollte – meinetwegen. Er fing an, Angst zu bekommen, dass er mich lieben könnte – er wollte doch niemanden lieben. Mit mir ins – ins Bett gegangen ist er, damit er über mich nicht so viel nachdenken muss. Er wollte, dass alles locker und leicht bleibt, einfach eine Affäre wie die anderen, die er hatte.«
    »Und Sie – « Poirot musterte sie genau, »– Sie waren zufrieden – damit.«
    Henrietta stand auf. »Nein«, sagte sie, wieder mit dieser trockenen Stimme, »ich war nicht – zufrieden. Man ist schließlich nur ein Mensch…«
    Poirot ließ eine Schweigepause verstreichen. »Aber warum Mademoiselle, haben Sie – «, fragte er dann.
    »Warum?« Sie wirbelte herum. »Ich wollte, dass John befriedigt ist, ich wollte, dass John hat, was er will. Ich

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