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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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hinweg die ganze Zeit beobachtet. »Geht es Davida gut, dort, wo sie jetzt ist?«
    Der Mann nickte bedächtig. »Sie ist nun dort, wo man wunschlos ist.« Er wandte sich ihr zu. »Glauben Sie nicht auch, dass die Wunschlosigkeit das größte Glück ist?«
    Ruth zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich war noch nie wunschlos, aber ich war auch noch nie von Herzen glücklich. Höchstens mal für einen kurzen Augenblick.«
    Das Feuer in der Mitte glimmte noch einmal auf. Flammen stoben empor. Unwillkürlich fühlte Ruth nach Mama Elos Stein. Sofort kehrte das warme Gefühl zurück. Sie schloss die Augen und hatte das gleiche Bild vor Augen wie früher am Tag: Wieder sah sie Flammen, die wie hungrige Münder auf sie zu schossen. Doch dann schob sich ein anderes Bild davor: zwei Menschen, die im Licht der untergehenden Sonne auf einem Hügel standen, eine sehr junge Frau, ein Mädchen noch, und ein junger Mann. Das Mädchen hatte ihren Kopf an die Schulter des Mannes geneigt, er hatte einen Arm um ihre Schulter gelegt. Der Körper des Mädchens bebte, und Ruth erkannte, dass es in Tränen aufgelöst war. Seine Schultern zuckten, doch Ruth konnte sein Gesicht nicht erkennen, nur das lange gelockte Haar, das rot und wild unter einer Haube hervorquoll.
    Plötzlich hörte sie die Stimme des jungen Mannes. »Weine nicht, meine Rose, meine Blume. Es wird sich alles finden, alles.«
    Die junge Frau schüttelte den Kopf. »Was soll sich finden? Mein Vater hat dich vor die Tür gesetzt. War eine Heirat zwischen uns ohnehin ohne große Aussichten, so ist die Lage jetzt hoffnungslos.« Und wieder bebte der Körper des Mädchens. Tränen rollten über seine Wangen, versickerten im Stoff seines Kleides, welches bis auf den Boden reichte.
    »Ich werde einen Weg finden«, erklärte der junge Mann. »Ich werde fortgehen.«
    »Nein, das darfst du nicht! Du darfst mich hier nicht allein lassen.«
    »Doch, ich werde fortgehen. Dorthin, wo ich Geld verdienen kann. Es heißt, in der Walfischbucht sei Gold gefunden worden. Das Gebiet untersteht der Obhut des kaiserlichen Generalkonsuls und Kommissars für Südwestafrika, Ernst Heinrich Göring. Ich werde mich bei ihm bewerben. Und wenn ich wiederkomme, werde ich so viel Geld haben, dass ich dich heiraten kann.«
    Das Mädchen sah zu ihm auf. In ihren Augen glomm Hoffnung. »Du wirst nicht lange weg sein, nicht wahr?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Ich werde mich beeilen. Und wenn ich wiederkomme, kaufen wir dieses Land und natürlich den grünen Hügel. Wir heiraten und werden Kinder haben. Zuerst einen Jungen und dann ein Mädchen.«
    »Rose.« Die junge Frau lächelte unter Tränen. »Wir werden unsere Tochter Rose nennen.«
    »Deine Großmutter war eine bemerkenswerte Frau.« Die Stimme des Alten holte Ruth in die Wirklichkeit zurück. »Du siehst aus wie sie, als sie jung war. Du ähnelst ihr wie ein Zwilling dem anderen. Wenn du ihr Geheimnis lüften willst, musst du nach Lüderitz fahren. Deswegen bist du doch hier, nicht wahr? In Lüderitz beginnen und enden alle Spuren. Dort wirst du finden, was du suchst.«
    Ruth riss den Mund auf, um etwas zu fragen, doch als sie auf den Platz neben sich sah, war der leer. Der alte Mann war weg, das Feuer erloschen. Sie fror mit einem Mal und zog eine Decke um ihre Schultern.
    Der schwarze junge Mann, der am Nachmittag mit Horatio gesprochen hatte, kam auf sie zu. »Es wird Zeit, dass Sie gehen, Miss.« Seine Stimme klang streng.
    »Sicher.« Ruth erhob sich, wobei ihr die Decke von den Schultern glitt.
    Der Schwarze reichte sie ihr. »Hier, nehmen Sie die mit, und verschwinden Sie von hier.«
    »Warum sind Sie so feindselig? Ich habe Davida nicht getötet.«
    »Ihre Familie hat mehr Unglück über die Namas gebracht als alle Kriege zuvor. Ihre Familie ist schuld daran, dass wir heute Sklaven der Weißen sind. Ihr habt unsere Seele gestohlen, unser Land, unsere Kultur.«
    Ruth schüttelte den Kopf. »Nein, Sie irren sich. Das kann nicht sein.«
    Der Schwarze trat so dicht an Ruth heran, dass sie seinen Atem auf ihrem Gesicht spürte. »Niemand hat es gewagt, die Saldens zu verfluchen. Sie durften nur hier sein, weil alle Angst vor euch haben. Ich aber habe keine Angst. Und ich, Davida Oshohas Enkelsohn, verfluche Sie, Sie und Ihre Familie.«
    Plötzlich wurde der Stein zwischen Ruths Brüsten eiskalt, so kalt, dass sie aufschrie, weil er auf ihrer Brust brannte. Es dauerte nur einen Augenblick lang, doch Ruth wusste, dass sie ein Mal

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