Das geheime Lied: Roman (German Edition)
alles, was Ihr berührt, mit dem Leuchten der Sonne vergoldet.«
Der Souverän war nicht einmal sicher, was ihn so verzauberte, die Idee des Ministers oder vielleicht eher seine schmeichlerischen Worte.
»Wie schon Platon sagte«, zitierte er genüsslich, »wenn sich in der Musik die Formen verändern, dann ändern sich die grundlegenden Gesetze des Staates mit ihr. Damit würden wir in diesem afrikanischen Reich den Grundstein europäischer Kunst legen …«
»Es wäre der perfekte Vorwand, um sich zu seinem barbarischen Hof Zugang zu verschaffen«, fügte Louvois hinzu. »Wenn die Musik erst das Vertrauensverhältnis hergestellt hat, das für uns so wichtig ist, dann kann unser Kapitän in Ruhe das Abkommen der militärischen Unterstützung aushandeln, während der Musiker nach einem Weg sucht, die Melodie der Priesterin zu transkribieren. So sieht mein doppelter Plan aus.«
»Das ist mehr als nur ein Plan«, rief der König aus. »Das ist selbst bereits Kunst! Musik wird uns die Tür nach Madagaskar öffnen! Vergessen wir die Kanonen und Musketen, lasst die Violinen für Frankreichs Ruhm erklingen! Ich werde diese Insel erobern … und die Melodie wird mir gehören«, flüsterte er gierig.
Louvois lächelte zufrieden.
»Also …«
»Wir brauchen noch einen Kapitän, der gewagt und erfahren genug ist, um einen solchen Plan in Angriff zu nehmen«, überlegte der Herrscher.
»Auch das stellt kein Problem dar. Ich habe den richtigen Mann für Euch.«
»An wen hattet Ihr gedacht?«
»An Kapitän La Bouche«, erklärte Louvois in boshaftem Tonfall.
»Er ist für die Mission ideal …«, murmelte der König nachdenklich.
»Ich lasse ihn noch heute Abend herkommen.«
»Holt Charpentier herein«, rief Ludwig XIV . begeistert.
»Majestät, ich glaube kaum, dass es angemessen wäre, mit ihnen die Details zu …«
»Das müsst Ihr mir nun wirklich nicht sagen. Frankreichs Wirtschaftsinteressen haben Künstler wie sie nicht zu interessieren«, winkte der Souverän mit einem schiefen Lächeln ab. »Wir werden vielmehr über Musik sprechen!«
Charpentier und Matthieu betraten wieder das Kuriositätenkabinett. Ihnen war die große Anspannung anzusehen. Der König ließ sie noch einige Sekunden schmoren.
»Ich stimme dem Plan zu«, erklärte er schließlich.
»Tatsächlich?«, vergewisserte sich Charpentier. Er konnte nicht anders, als kurz zu Matthieu hinüberzuschauen. »Eure Majestät genehmigen also die Expedition?«
»In gewisser Weise. Ich bin damit einverstanden, einen Musiker nach Madagaskar zu schicken. Aber …«
»Aber?«, wunderte sich Louvois.
Bei ihrer Besprechung unter vier Augen hatte es kein Aber gegeben.
»Ihr werdet derjenige sein, der die Reise unternimmt«, erklärte er und zeigte auf den Komponisten.
»Was?«, rief dieser aus.
»Charpentier?«, sagte Louvois.
»Ich kann nicht …«
»Wagt Ihr es etwa, Euch mir zu widersetzen?«, schrie der König mit dem hochmütigen Gebaren, das er so gerne zur Schau trug. »Jetzt reicht es mir mit falschen betrunkenen Musikern. Und warum sollte ich das Risiko eingehen, irgendeinen x-beliebigen Violinisten zu schicken, dessen Ohr vielleicht nicht geschult genug ist, um die Melodie angemessen zu lernen? Ihr geht selbst nach Madagaskar, werdet mit Eurer Musik das steinerne Herz dieses Wilden betören, dem Gesang der Priesterin lauschen und die Partitur in situ für mich niederschreiben.«
Der Herrscher weidete sich an seinem eigenen Triumph. Louvois konnte es kaum fassen. Charpentier höchstpersönlich loszuschicken war die Krönung seines Plans.
Wie gelähmt wartete Matthieu die Antwort seines Onkels ab.
»Majestät, ich würde es niemals wagen, gegen Euch aufzubegehren, Ihr müsst aber wissen, dass ich diese Reise nicht antreten kann.«
Der König sah ihn voller Verachtung an.
»Ich hätte gedacht, dass Ihr aus anderem Holz geschnitzt seid. Bei Gott, seht Eurem Schicksal doch wenigstens mit Würde ins Auge.«
»Ich würde alles tun, um meinem Neffen zu helfen, und Ihr könnt mir glauben, dass ich im Moment andere Dinge weitaus mehr fürchte als die Gefahren dieser Expedition. Wenn ich jedoch dieses Schiff besteige, dann wüssten Jean-Claudes Mörder, dass ich sie hintergehe …«
»Hintergehen? Was wollt Ihr damit sagen?«
»Es gibt da etwas, was ich Eurer Majestät noch nicht darlegen konnte …«
»Und worauf wartet Ihr dann noch?«, fragte der Souverän erzürnt.
Matthieu sah seinen Onkel an.
»Was ist denn?«
Charpentier senkte den
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