Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das geheime Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrés Pascual
Vom Netzwerk:
der sich am Golf von Bengalen eine Schlacht gegen die Mongolen geliefert hat? Der Korsarenjäger der Küste von Sansibar?«
    »Ich wusste nicht, dass das meine berühmtesten Taten sind.«
    »Teufel auch!«, brach der Pirat in Gelächter aus. »Wo ist denn die Fortune ?«
    »Ihr kennt mein altes Schiff?«
    »Ich habe Libertalia vor mehr als zwanzig Jahren gegründet, und diese kleine Republik hat bislang vor allem deshalb überlebt, weil ich meine Feinde erledige, bevor sie mich ins Visier nehmen. Wenn Ihr wüsstet … Ich habe mich mehr als einmal auf die Suche nach Euch gemacht! Das Glück war wirklich auf Eurer Seite!«
    »Oder vielleicht auch auf Eurer.«
    Misson lachte wieder schallend.
    »Womit verdient Ihr nun Euer Geld? Ihr habt Euch doch wohl nicht in einen verfluchten Höfling verwandelt …«
    »Ich bin immer noch auf See, meine Route hat sich jedoch geändert …«, war alles, was La Bouche erwiderte.
    Einige Sekunden lang starrten sie einander in die Augen, und es war nichts zu hören außer dem Flattern der Segel.
    »Warum schließt Ihr Euch uns nicht an?«, fragte Misson mit einem Mal.
    Die gesamte Besatzung war wie erstarrt. Der Vorschlag überraschte La Bouche selbst am meisten. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Jeder einzelne Mann an Bord blickte zu ihm hinüber und wartete auf seine Antwort. Der bisherige Verlauf der Unterhaltung ließ sie hoffen, dass sie heute wohl doch nicht in der Hölle zu Abend essen würden.
    »Schlagt Ihr mir etwa vor, Euch nach Libertalia zu begleiten?«
    »Wo könnte es Euch besser ergehen als auf unserer Insel? Wie viel zahlt Euch die Kompanie?«
    »Ihr seid doch derjenige, der immer predigt, dass Gold im Leben nicht alles ist.«
    »Und? Werdet Ihr etwa in Frankreich erwartet? Sind Euch die Menschen dort wirklich so wichtig, dass Ihr ihretwegen ein Leben in absoluter Freiheit ausschlagt? Tretet meinem Rat bei, dann werdet Ihr in die wahren Geschichtsbücher Eingang finden!«
    Libertalia … eine Republik mitten im Ozean. Matthieu hatte diesen Namen noch nie gehört. Wo befand sich diese geheimnisvolle Insel, von der sie sprachen? Was gab es auf ihr, das sie so besonders machte? In diesem Moment, als die beiden Kapitäne sich davon zu überzeugen versuchten, dass der jeweils andere seine Kanonen nicht abfeuern würde, zeigte sich an Missons Kabinentür schüchtern eine Frau mit kupferfarbener Haut und glatter schwarzer Mähne, nur bekleidet mit einem weißen Männerhemd, das ihr bis auf die Schenkel fiel.
    Wer bist du …?, dachte der junge Geiger.
    Es war, als bräche mit einem Mal all die Musik in seinen Adern als fantastische Symphonie los. Er stützte sich backbord auf der Reling auf, um sie besser sehen zu können. Die Frau überquerte das Deck und verbarg sich hinter dem Besanmast. Ihre riesigen Augen strahlten etwas Geheimnisvolles aus, und sie riss sie immer noch weiter auf, während sie voll kindlicher Neugier nach rechts und links blickte. Nicht lange, und ihre Blicke trafen sich. Einen Augenblick lang konnte sich keiner vom anderen losreißen, es war, als ob eine überirdische Macht sie aneinanderbände. In seinem ganzen Leben hatte Matthieu noch niemals so etwas verspürt. Konnte man denn jemanden zum ersten Mal erblicken und ihn dennoch fortan brauchen wie die Luft zum Atmen? In seinem tiefsten Inneren war offenbar etwas in Gang gesetzt worden. Nachdem anfänglich die Harmonien in seinem Kopf explodiert waren, herrschte dort unvermittelt Mal Schweigen. Stille … Plötzlich war da keine Musik mehr, kein einziger Laut. Er wurde von einer Blase jungfräulichen Nichts umfangen und wünschte sich nur noch, dass ihm diese Frau darin Gesellschaft leisten möge, um den Raum gemeinsam mit dem Herzschlag beider auszufüllen, der im Gleichtakt erklang.
    Catroux’ rauer Schrei durchbrach den Zauber: »Mann über Bord!«
    Alle beugten sich vor, um zu sehen, wer da gestürzt war. Es handelte sich um einen der Neger aus dem Frachtraum. Er war von der Reling der Aventure gesprungen und versuchte nun, sich an ein Tau zu klammern, das die Mannschaft der Victoire augenblicklich in seine Richtung ausgeworfen hatte.
    Das ist der Griot, dachte Matthieu. Warum hat er das bloß getan?
    »Verdammter Sklave …«, grummelte La Bouche verächtlich und wandte sich an den Musiker. »So dankt er dir also, dass du für ihn dein Leben riskiert hast!«
    Der Griot ergriff das Tau. Beim ersten Ruck wurde er herumgeschleudert und stieß mit den Rippen gegen den Rumpf des Schiffes,

Weitere Kostenlose Bücher