Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
Zaubertrank oder ein paar Flüche ausrichten konnten, da wollte er sich nicht in Gefahr bringen. Wenn er sie sah, wie sie über den Hof ging oder hinter dem Haus zur Latrine verschwand, schwankte er immer zwischen unbestimmtem Gruseln und unstillbarem Verlangen, einem Zustand, der ihm Unbehagen bereitete. Hoffentlich hatte er dieser Hexe nicht einmal zu viel in ihre verfluchten Augen geschaut! Auf der einen Seite wirkte diese junge Frau zart und zerbrechlich, aber auf der anderen hatte er am eigenen Leib erfahren, wie das täuschen konnte. Wenn er nur darüber nachdachte, konnte er ihr Knie wieder zwischen seinen Beinen spüren, was in ihm jedes Mal die Wut hochkochen ließ.
Als Junker Chassim mit dem Planwagen herangebracht worden war, hatte Gero innerlich triumphiert. Wie besorgt diese Hexe um ihren Ritter gewesen war! Dass er, Gero von Hochstaden, den Zustand des jungen Grafen verursacht hatte und niemand außer ihm selbst davon wusste, bereitete ihm ungeheure Genugtuung. In einem geeigneten Moment würde er der Hexe diese Tatsache offenbaren, vielleicht nachdem sie in der Folterkammer befragt worden war und er ihr auf diese Weise noch Salz in ihre Wunden streuen konnte. Womöglich würde ihm sein Onkel auch gestatten, selbst an der Befragung teilzunehmen, er würde Anna Ahrweiler schon zum Sprechen bringen, davon war Gero überzeugt. Die Geständnisse würden geradezu aus ihr heraussprudeln, wenn er Hand anlegen dürfte. Aber noch war es nicht so weit. Sollte sie zuerst einmal mit ihren Zauberkünsten den Junker wieder gesund machen. Dass Graf Chassim den bösen, offenen Schienbeinbruch überstehen würde, ohne dass ihm das Bein abgenommen werden musste – damit hätte Gero beim besten Willen nicht gerechnet.
Betroffenheit heuchelnd, hatte er sich nach dem Kampf Junker Chassims Verwundung in dessen Zelt näher angesehen und hätte keinen Pfifferling mehr für das Bein gegeben. Wenn der junge Graf Pech hatte, würde er vielleicht sogar Wundbrand bekommen und nach Wochen peinigender Schmerzen elendiglich zugrunde gehen. Doch dann hatten sie diese Hexe geholt. Und jetzt? Jetzt lachte jemand im Haus der Medica, dass man es bis draußen hören konnte. Das hörte sich nach Junker Chassim an! Aber das konnte doch nicht sein – gestern auf dem Sterbebett und heute lachte er wieder. Wenn das wahr war, konnte es nur bedeuten, dass Anna Ahrweilers Zauberkünste Erfolg gezeitigt hatten, und Chassim tatsächlich auf dem Weg der Besserung war. Hol’s der Teufel – davon musste er sich mit seinen eigenen Augen überzeugen!
Gero schlich sich an die Fensterluke im Erdgeschoss heran, die einen Blick in die von Kerzen erleuchtete Behandlungsstube erlaubte, und spähte vorsichtig hinein. Dort saß ein vergnügter, wenn auch sichtlich abgemagerter und bärtiger Junker Chassim auf seiner Strohmatratze und löffelte etwas in sich hinein, während die Medica, dieser Mönch und die blonde Magd, bei deren Anblick Gero schier die Augen aus den Höhlen traten, zuschauten.
Gero kehrte zum Lagerfeuer zurück, wo er Zeit hatte, scharf nachzudenken. Er musste seinem Onkel Meldung machen, dass Chassim genesen war. Er konnte es noch immer nicht fassen. Die Zauberkräfte der Medica konnten nur des Teufels sein.
II
I m prächtigen und luxuriös eingerichteten Empfangsraum des Bischofspalastes zu Köln saß Konrad von Hochstaden und ließ sich von seinem Neffen über die Ereignisse in Oppenheim Bericht erstatten. Die Diener, die Tag und Nacht zur Verfügung standen, hatte er weggeschickt, als Gero von den unglaublichen Heilungsfortschritten des schwer verletzten Chassim von Greifenklau erzählte.
»Das ist es, worauf wir gewartet haben. Die endgültige Bestätigung dafür, dass Anna Ahrweiler eine Hexe ist.« Der Erzbischof lächelte zufrieden.
Dann nahm er seinen Neffen ins Visier und senkte seine Stimme zu einem Flüstern, als er fragte: »Du hättest sie wohl allzu gerne gleich selbst ins Jenseits befördert, nicht wahr?«
Gero schlug die Augen nieder und antwortete: »Ich hätte die Gelegenheit gehabt, und die Absicht bestand, ja, Eure Eminenz.«
»Dann sag mir eins, Neffe – bist du verantwortlich für das Unglück, das dem Schwager des Grafen zugestoßen ist? Der Sturz vom Pferd während des Zweikampfs mit dir?«
Gero ließ niedergeschlagen die Schultern hängen und nickte.
Der Erzbischof bohrte weiter: »Wie hast du das angestellt?«
»Ich habe am Abend vor der Tjost den Bauchgurt seines Sattels so angeschnitten, dass
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