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Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Geiges
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hinaufführte. Vor Aufregung und Erwartung zitternd, wartete sie darauf, dass Chassim erscheinen würde und nicht Gero von Hochstaden oder eine seiner Wachen, die durch Zufall den geheimen Zugang von oben durch den Turm entdeckt hatte. Sie konnte Schlüsselgeräusche hören, jemand sperrte das Schloss auf. Schließlich öffnete sich die Tür langsam und leise knarrend, und ein Lichtschein fiel in das Verlies.
    Anna umklammerte die Gitterstäbe mit aller Kraft. Ein dunkel gekleideter Mann betrat vorsichtig den Kerker mit einer brennenden Fackel in der Hand. Es konnte nicht Chassim sein, der Fremde hatte kein eingegipstes Bein und kam ohne zu zögern auf ihre Zelle zu. Erst als er vor ihr stand und den Kopf hob, konnte sie erkennen, wer es war: Graf Georg von Landskron. Er bedeutete ihr zu schweigen und musste erst mehrere Schlüssel von seinem Bund probieren, bis er den richtigen fand, der zu ihrer Zellentür passte. Anna zog ihre Gittertür zaghaft auf.
    »Wo ist Chassim?«, flüsterte sie mit banger Stimme, weil sie befürchtete, dass sie allein die Flucht antreten musste.
    Der Graf sagte kein Wort, zog sie aus ihrer Zelle, und in diesem Augenblick kam auch schon Chassim aus der versteckten Tür gehumpelt, so schnell und geräuschlos, wie es ihm mit dem Gipsbein und der Krücke möglich war. Berbelin war bei ihm.
    Anna und Chassim umarmten sich kurz. Der Graf war mit seinem Schlüsselbund schon bei der zweiten, ebenso versteckten Tür zugange, hinter der die Treppe zum unterirdischen Gang unter Oppenheim hindurch begann, und öffnete sie.
    »Chassims zwei Stallknechte warten am anderen Ende des Ganges auf euch«, flüsterte der Graf. »Viel Glück!«
    Chassim setzte schon vorsichtig einen Fuß auf die Treppe, Berbelin half ihm. Der Graf drückte Anna seine Fackel in die Hand.
    »Und was ist mit Euch? Und der Gräfin?«, fragte ihn Anna besorgt.
    »Soll der Inquisitor doch denken, dass ihr euch in Luft aufgelöst habt. Oder davongeflogen seid. Ich weiß von nichts. Es wird eine Untersuchung geben. Aber der Erzbischof wird es nicht wagen, mich anzuklagen und Hand an mich zu legen.«
    Bevor Anna noch nach dem kleinen Friedrich fragen konnte, schob er sie durch die Tür.
    »Geht, macht, dass ihr fortkommt. Los, verschwindet!«
    Dann schloss er die Tür hinter ihnen.
    Anna und Chassim sahen sich kurz in die Augen, um sich gegenseitig Mut zu machen. Zusammen mit Berbelin begannen sie den beschwerlichen Abstieg, der wegen Chassims Gipsbein sehr mühselig verlief, er keuchte bald und war schweißgebadet. Das eine oder andere Mal geriet er ins Stolpern und strauchelte beinahe, die Treppenstufen waren schmal, glitschig und unregelmäßig, aber Anna war vorausgegangen und konnte ihn jedes Mal rechtzeitig abfangen. Ein Sturz die steile Treppe hinunter wäre fatal gewesen.
    Als sie schließlich unten ankamen, wischte sich Chassim mit dem Ärmel den Schweiß aus der Stirn.
    »Ich glaube, ich schaffe es nicht«, sagte er. »Geht ihr allein, ich halte euch nur auf.«
    »Entweder wir gehen alle drei oder keiner«, entgegnete Anna entschlossen, und jetzt, wo der Gang breiter wurde und in einer leichten Schräge nach unten verlief, konnten sie und Berbelin ihn seitlich stützen. So schleppten sie sich mehr schlecht als recht voran.
    Plötzlich hielt Chassim inne und packte Anna an der Schulter. »Still«, sagte er und versuchte, seinen keuchenden Atem unter Kontrolle zu bekommen. »Da war etwas!«
    Sie lauschten. Aber es war nur das Tropfen von Wasser zu hören. Sie standen an einer Abzweigung, wo die Rußmarkierung, die Anna bei ihrer zweiten Tunnelbegehung angebracht hatte, noch zu sehen war. Und dann, unerwartet, ein Geräusch, und gleich darauf hallten weit entfernt Stimmen durch das Labyrinth.
    »Da kommt jemand!«, zischte Chassim. »Schnell, lösch deine Fackel.«
    »Aber ohne Licht sind wir verloren!«, flüsterte Anna.
    »Lösch die Fackel!«, befahl Chassim. »Mach schon!«
    Geistesgegenwärtig steckte Anna die Fackel in eine Wasserlache, wo sie zischend erlosch. Plötzlich waren sie in absolute Dunkelheit getaucht, man konnte die Hand vor Augen nicht sehen. Anna klammerte sich vor Schreck an Chassim und hielt Berbelin an der Hand, damit sie sich nicht verloren. Er zog die beiden Frauen in eine Nische, wo sie sich still verhielten und lauschten. Zunächst war nichts weiter zu hören, und Anna glaubte schon, sie hätte sich getäuscht und ihre Einbildung hätte ihr einen Streich gespielt. Panik befiel sie. Wie sollten sie

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