Das geheimnisvolle Tuch
wieder herausnahmen. Wie Moorgespenster schritten sie auf dem Pfad, von den Ungeheuern beobachtet und stetig begleitet. Sie schienen nicht immer zu hören, wo sich die Abenteurer befanden, denn ihre tödlichen Köpfe sausten in etlicher Entfernung unkontrolliert nieder. Durch diesen beschwerlichen Weg taten Vinc und Vanessa allmählich die Glieder weh. Es schien, als würde ihnen durch die starre, verkrampfte Haltung, bedingt durch die Sorge ihrer leichten Last auf den Schultern, auch sie könnten selbst das Gleichgewicht verlieren und in den Sumpf plumpsen, die Wirbelsäule durchbrechen.
Gespenstisch dieser Zug, in einem unwirtlichen Sumpfsee, gefolgt von einer Herde Monster. Der Pfad schien in seiner Länge unendlich, so der Eindruck der Kinder.
Bums, da landete der Kopf einer Schlange mit weit aufgesperrtem Rachen fauchend unmittelbar vor Vinc, wahrscheinlich durch den enger werdenden Pfad.
Die Schlange hob wieder den Schädel. Bedenklich nahe vor Vinc horchte sie in alle Richtungen, wobei sie den Kopf ruckartig hin und her bewegte.
Vinc wagte nicht zu atmen, ebenso der Kleine auf seiner Schulter. Das geringste Geräusch könnte sie verraten und der Bestie den genauen Standort bekannt geben. Niemand, der so etwas je durchgemacht, konnte wohl die Angst und die Spannung verstehen. Langsam ließ Vinc, bedacht darauf, keinen Ton zu erzeugen, die angehaltene Luft aus seinen Lungen.
Drialin und Vanessa, hinter ihnen befindlich, sahen voller Angst dem Grauen zu.
Vinc atmete leise und regelmäßig. Er hörte eine Art Knurren der Schlange, er spürte den muffigen Atem des Reptils. Er sah ihre Zähne, scharf und denen eines Krokodils ähnlich, keine Frage, welche verheerende Wirkung für das Opfer bestand, das zwischen sie gelangte.
Es mochten Minuten verstrichen sein. Das Kriechtier wiegte, noch einmal in alle Richtungen lauschend seinen Kopf, um anschließend in den Morast zurück zu gleiten.
Vinc blieb noch einige Zeit ohne Bewegung. Er wusste nicht, wo sich das untergetauchte Tier jetzt aufhielt, auch bemerkte er das Fehlen seiner Artgenossen. Hatten sie die Jagd nach ihrer Beute bereits aufgegeben oder waren sie nur listig und täuschten es vor? Die Antwort würden sie wohl erst bei ihrer weiteren Wanderung bekommen.
„Los, vorwärts!“, drängte Zubla. „Solange die unter der Oberfläche sind, können sie uns nicht wahrnehmen.“
Die Schar beschleunigte, wenn man dies unter den müßigen Umständen so nennen konnte, ihre Schritte, was natürlich einen enormen Kraftaufwand kostete, immer wieder die eingesogenen Füße aus dem Morast zu befreien. Doch angesichts der Gefahr merkten sie nicht die Schwäche, die ihren Körper mehr und mehr überfiel.
Obwohl sich Vinc auf diesen Sumpfpfad konzentrierte, fiel ihm etwas ein. Wo kam er schon einmal mit einem Morast in Berührung? Klar, vor dem Haus mit den gelben Fenstern, an dessen Türe er sich vergiftete, dort war auch so ein Teich voller Schlamm.
Es war nicht einfach, in Eile vorwärts zu kommen, da das Eindringen in den Morast mit den Füßen wie Saugnäpfe wirkte. Manchmal hatten sie das Gefühl, der Sumpf wolle sie nicht mehr loslassen. Ängstlich beobachteten sie dabei die nähere Umgebung, um nicht unliebsame Überraschung zu erleben, die in Form des Kopfes einer der Schlangen verursacht werden könnte. Zu allem Überfluss überzog noch ein leichter Nebel die Oberfläche, der in dieser Dunkelheit noch fataler wirkte und ihnen die Sicht nahm. Plötzlich tauchte ein riesiger Kopf eines der Biester auf. Das Maul weit aufgesperrt, Augen gelb leuchtend wie die von Scheinwerfern. Sie blieben erstarrt stehen.
Es schien, als endete hier der Weg des Sumpfes.
„Wir müssen zurück!“, rief Vinc voller Panik. Er drehte sich um. „Schnell zurück!“, rief er noch einmal.
Vanessa drehte sich um, trat einen Schritt nach vorne und versank fast im Moor.
Der Pfad musste verschwunden sein.
Ihre kleine Last war inzwischen geistesgegenwärtig von der Schulter gesprungen.
Das Mädchen schrie verzweifelt, während die breiige Flüssigkeit sie unaufhaltsam nach unten zog. „Hilf mir!“, schrie sie und streckte die Arme nach Vinc aus. Dieser ergriff sie instinktiv und zog an ihnen. Er merkte, wie auch er allmählich absackte, aber er konnte unter viel Mühe seine Freundin an sich ziehen, obwohl auch er schon bis an die Knie eingesunken war.
„Der Pfad versinkt. Wir müssen in Richtung Schlange laufen. Und...!“ Er hörte plötzlich auf. ‚Und was’ dachte
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