Das Gold des Bischofs
heraus, dass er Flambards Onkel war. Und Flambards anderer Onkel â Stanstede â war der Ehemann von Flambards Tochter. Geoffrey kratzte sich am Kopf und grübelte darüber nach, ob so eine Verbindung wohl schicklich und rechtens war. AuÃerdem fragte er sich, wie viele Leute von Durham noch auf irgendeine Weise mit dem unkeuschen Bischof verwandt waren.
»Eleanor!«, lieà sich eine leise Stimme von der Tür vernehmen. »Ich habe gehört, was passiert ist. Es tut mir so leid.«
Geoffrey sah eine Frau im Türrahmen stehen. Sie streckte Eleanor die Arme entgegen, die bis zu den Ellbogen mit Mehl bestäubt waren. Ohne dem Beachtung zu schenken, schlüpfte Eleanor bereitwillig in die Umarmung der Frau. Da Geoffrey den Eindruck gewonnen hatte, dass der Goldschmied ebenso alt gewesen war wie Stanstede, hatte er eine Frau mittleren Alters erwartet, die geduldig ihre Trauer ertrug. Alice Jarveaux war allerdings nicht im mittleren Alter. Sie war in den Zwanzigern und sah bezaubernd aus, auf eine typisch sächsische Art: klein und zierlich war sie und hatte hellblondes Haar, das zu zwei Zöpfen gebunden und über den Ohren zu einer Schnecke eingerollt war. Ihre Augen waren von einem tiefen Saphirblau und ihr Teint so rein wie eine Christrose.
»Ich hatte einen furchtbaren Tag«, verkündete sie. »Walter hatte für heute Pferde bestellt, und der Pferdeknecht lieà mich dafür bezahlen, obwohl Walter tot ist und nirgendwo mehr hinreiten wird.«
»Hat er sie von der Burg gemietet?«, fragte Eleanor mitfühlend. »Mit den Männern dort ist nicht gut verhandeln.«
»Der Knecht meinte, Walters Tod wäre nicht seine Schuld und er sollte nicht darunter zu leiden haben«, erklärte Alice. »Dieser gefühllose Rohling!«
»Das ist Alice Jarveaux«, sagte Eleanor, löste sich aus der Umarmung und wandte sich Geoffrey zu.
»Haymo und Walter haben ja anscheinend gewusst, wie man junge Frauen findet«, stellte Geoffrey fest. Er zog in Erwägung, selbst nach Durham zu ziehen, wenn er zu alt und gebrechlich sein würde, um weiter als Krieger zu dienen.
Eleanor lächelte. »Wie gesagt, das ist eine kleine Stadt, und die Auswahl an Ehemännern ist nicht groÃ. Es ist besser, einen alten zu haben als überhaupt keinen. Ist es nicht so, Alice?«
»Nur wenn er auch reich ist«, antwortete Alice. Sie maà Geoffrey mit fachkundigem Blick. »Ihr müsst Euch also keine Hoffnung auf mich machen. Ihr seid ansehnlich und jung genug, um noch etwas zustande zu bringen, zugleich jedoch auch alt genug, um interessant zu sein. Aber ganz offensichtlich habt Ihr kein Geld.«
»Ich habe ein Rittergut«, wandte Geoffrey ein, der sich nicht gern als Mitgiftjäger hinstellen lassen wollte. »Und ich habe auÃerdem nicht vor, eine Frau zu nehmen â weder eine junge noch sonst eine.«
»Zieht Ihr also Männer vor?«, fragte Alice unverblümt. Wieder musterte sie ihn mit prüfendem Blick. »Ihr seht nicht danach aus, aber das ÃuÃere kann täuschen.«
»Ich ziehe die Gesellschaft von Männern zumindest der von schwatzhaftem Weibervolk vor«, gab Geoffrey zurück und fand ein Gespräch über seine sexuellen Vorlieben im Heim einer Frau, die kürzlich Witwe geworden ist, zutiefst unschicklich. Kein Wunder, dass Roger so froh gewesen war, Eleanor bei ihrem Besuch nicht begleiten zu müssen: Er hatte gewusst, dass Alice ein Drache war.
»Tatsächlich?«, sagte Alice beiÃend. »Wir Frauen werden oft geistlosen Geplappers beschuldigt, aber man muss nur mal einen Stall aufsuchen, um es besser zu wissen. Männer schwatzen weit mehr als Frauen, und über die eintönigsten Dinge â das Beschlagen von Pferden, die Schärfe einer Hacke, wie Ledersohlen auf Kopfsteinpflaster rutschen, die beste GröÃe für Wagenräder. Was Frauen miteinander reden, ist dagegen bedeutsam und fesselnd.«
»Etwa, was das beste Mehl für Mandelküchlein ist und wie schlecht es sich bei Kerzenlicht nähen lässt?«, fragte Geoffrey kühl.
Alice musterte ihn, die Hände in die Hüfte gestützt. »Es wird nicht lange dauern, bis wir in Streit geraten. Wer seid Ihr überhaupt?«
»Er ist ein Freund von Roger«, sagte Eleanor. »Aber streite nicht mit ihm, Alice. Er hat mir das Leben gerettet â ein paar Halunken sind in mein Haus eingebrochen und
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